Ingolstadt
Im Mordversuchsprozess geht es um Szenen einer Ehe

Asylbewerber soll seine Frau vergewaltigt und einen vermeintlichen Nebenbuhler mit einem Messer attackiert haben

07.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:06 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: Johannes Eisele (dpa-Zentralbild)

Ingolstadt (DK) Vor deutschen Familiengerichten ist bei Scheidungsverhandlungen das Intimleben von Ehepaaren zum Glück meistens kein Thema mehr – bei Strafprozessen kann das gelegentlich anders sein: In allen Details hat sich die Schwurkammer des Ingolstädter Landgerichts gestern zum Auftakt eines neuen großen Prozesses mit den Sexualpraktiken eines Asylbewerberpaares befassen müssen.

Angeklagt ist ein 33-jähriger Somalier, der im vergangenen Dezember in einer Flüchtlingsunterkunft in Titting seine 25-jährige, aus Eritrea stammende Ehefrau vergewaltigt und tags darauf in der Eichstätter Berufsschule einen jungen Mann, den er als Liebhaber seiner Frau verdächtigte, aus Eifersucht mit einem Messer attackiert haben soll. Die Anklage lautet auf sexuelle Nötigung und Mordversuch.

Der kleine, schmächtige Mann will zu den eigentlichen Tatvorwürfen erst einmal nichts sagen – er hat bei elf angesetzten Prozesstagen aber noch reichlich Zeit für einen Meinungsumschwung. Vorab ließ er die Kammer jedoch über seine Dolmetscherin wissen, dass sein Eheleben in Deutschland zuletzt getrübt gewesen sei: Seine Frau habe ihn immer wieder zu Unrecht beschuldigt, gewalttätig gegen sie gewesen zu sein. Tatsächlich hat es allerdings im vorigen Jahr in München bereits eine Verurteilung wegen Körperverletzung an seiner Frau gegen den Mann gegeben.

Das Paar war im Frühsommer 2014 aus Libyen mit einem Flüchtlingsboot übers Mittelmeer nach Italien und dann über Frankreich nach Deutschland gelangt. Nach einigen Zwischenstationen kamen die Asylbewerber in das Tittinger Flüchtlingsheim, von wo der Somalier aber im Herbst wegen der Spannungen mit seiner Frau in ein Quartier in Kösching umzog. Dennoch trafen sich die Eheleute, die erst im März vorigen Jahres in Libyen nach islamischem Recht geheiratet hatten, immer wieder – häufiger am Rande ihrer Deutsch-Sprachkurse in Eichstätt, gelegentlich aber auch wieder in dem Wohnheim in Titting.

Dort soll es am 14. Dezember vorigen Jahres dann zu dem sexuellen Übergriff gekommen sein. Der Mann soll seine Frau gegen Ende eines wieder von allerlei Streitereien gekennzeichneten Wochenendes zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Doch weil die 25-Jährige gestern dem Gericht keinen stringenten Handlungsablauf schildern konnte und sich auch in Widersprüche verwickelte, ging es bei ihrer Zeugenvernehmung über fast vier Stunden hinweg immer wieder um die Einzelheiten im angeblichen Ablauf, um die früheren sexuellen Gewohnheiten des Paares und um die Frage, wann und wie tatsächlich Gewalt ausgeübt worden ist.

Wie sich bei der Befragung der Zeugin durch den psychiatrischen Gutachter herausstellte, hatte die Frau den Somalier offenbar auch aus wirtschaftlichen Erwägungen (nur einen Monat nach dem Kennenlernen) geheiratet: Er habe das Geld für eine Schleuserfahrt übers Mittelmeer gehabt und sie mitnehmen wollen. Als politisch Verfolgte können die beiden Afrikaner nach den gestrigen Eindrücken vor Gericht nicht unbedingt gelten. Sie hatten angeblich beide bereits einige Zeit im Gastland Libyen gearbeitet – er als Automechaniker, sie in einer Teestube. Über den Asylantrag des Angeklagten in Deutschland ist nach seiner gestrigen Auskunft bislang nicht entschieden worden; dies ist aber auch kein Thema in diesem Verfahren.

Der Prozess gibt auch Einblicke in die kulturellen Gegebenheiten der Flüchtlinge. Die Kammer musste sich zum Beispiel erklären lassen, dass die jetzige Hauptbelastungszeugin die Zweitfrau des Somaliers ist. Er sei noch mit einer weiteren Dame in seiner Heimat vermählt, hieß es. Von der hiesigen Gattin fühle er sich so gut wie getrennt, erklärte der Angeklagte. Er wolle mit der Frau „nichts mehr zu tun haben“, sagte er den Richtern. Die Zeugin ihrerseits fragte nach, ob sie denn nicht offiziell geschieden werden könne. Vorsitzender Jochen Bösl wusste Rat: Da das Paar offenbar keinerlei Papiere habe, könne praktisch jeder seiner Wege gehen. Bösl: „Dann dürfte das erledigt sein.“ Die Verhandlung wird am morgigen Donnerstag fortgesetzt.