Ingolstadt
IG Metall droht mit der Peitsche

Tausende Gewerkschafter gestern beim ultimativen Warnstreik auf der Audi-Piazza

13.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:09 Uhr

Auch der Nachwuchs hat Forderungen: Die IGM-Jugendvertreterinnen Lisa Törmer (Audi) und Juli Fischler (Cassidian, rechts) nahmen an der Spitze eines Protestzuges an der Kundgebung teil.

Ingolstadt (DK) Letzter Warnschuss der IG Metall: Ein Großaufgebot an Arbeitnehmern aus Betrieben in Stadt und Umland hat gestern auf der Audi-Piazza den Gewerkschaftsforderungen in der laufenden Tarifrunde Nachdruck verliehen. 15 000 Streikende waren angekündigt; es waren letztlich aber wohl etwas weniger.


Heute kommen in München die bayerischen Verhandlungsdelegationen von Metallergewerkschaft und Arbeitgebern zur wohl entscheidenden vierten Runde zusammen. Manche Beobachter erwarten bis spätestens morgen Mittag einen Tarifabschluss, der dann Pilotcharakter für die gesamte deutsche Metall- und Elektroindustrie haben könnte. Die Alternative ist das Scheitern der Verhandlungen und der Weg der Gewerkschaft in die Urabstimmung – und dann höchstwahrscheinlich in den ersten Arbeitskampf in der Branche seit elf Jahren.



Mit Warnstreiks und Großkundgebungen wie gestern in Ingolstadt sollte den Arbeitgebern die Entschlossenheit der Gewerkschaft und ihrer Mitglieder nochmals vor Augen geführt werden: 80 Betriebe waren im Freistaat zu solchen Aktionen aufgerufen. Mit kurzen Protestmärschen aus den Werksabteilungen und entlang der Ettinger Straße (für Spätschichtler und die nicht wenigen Angehörigen anderer Betriebe) gelang der IG Metall bei Audi ein eindrucksvoller Aufmarsch mit einem Pfeifkonzert aus hunderten Trillerpfeifen.

Mit stattlichen Gruppen vertreten waren neben der großen Masse der Audianer die Belegschaften von Conti Temic, Elektro-Metall, Cummins, Rieter und Schaeffler in Ingolstadt sowie von Cassidian in Manching, Leoni in Neuburg, MBD.A in Schrobenhausen, Osram in Eichstätt und Wacker Neuson in Reichertshofen.

Ungezählte Transparente und IGM-Fahnen kündeten vom hohen Mobilisierungsgrad. Ohne den kalten Nieselregen wäre die Beteiligung womöglich noch etwas höher gewesen. Die Redner der Gewerkschaft, allen voran ihr bayerischer Bezirksleiter Jürgen Wechsler, betonten zwar immer wieder, 15 000 Menschen seien dem Aufruf gefolgt, doch nach realistischer Einschätzung musste die Zahl wohl niedriger angesetzt werden.

Wechsler, zugleich Chefunterhändler der IGM beim heutigen Treffen in München, drohte den Arbeitgebern offen: Wenn „bis Mittwochmittag um 12 Uhr“ kein akzeptables Lohnangebot auf dem Tisch liege, „verkünden wir dort das Ende der Gespräche“. Auf die dann notwendige Urabstimmung ging der bayerische IG-Metall-Chef gar nicht groß ein, denn die Streikbereitschaft bei den Belegschaften ist auch so schon offenkundig. Sehr schnell, das scheint klar, wird es dann zu unbegrenzten Arbeitsniederlegungen in der Metall- und Elektroindustrie kommen. Jürgen Wechsler: „Keiner der hier vertretenen Betriebe wird dann ausgelassen! Dieser Streik findet vom ersten Tag an hier statt!“

Bislang liegen zwischen den Vorstellungen von Arbeitgebern (letztes Angebot: 2,3 Prozent) und Gewerkschaft (Forderung: 5,5 Prozent, für Auszubildende pauschal 60 Euro mehr) noch Welten. Nach Einschätzung des Ingolstädter IGM-Bevollmächtigten Johann Horn wird es auf dem Weg zu einem Abschluss auch auf die Laufzeit des neuen Tarifvertrages ankommen. Eine lange Gültigkeitsdauer sei nur mit einer stattlichen prozentualen Erhöhung zu haben, so Horn gestern am Rande der Kundgebung. Schließlich deuteten die Konjunkturprognosen auf eine stabile Entwicklung in der Branche.

Zu den Streikenden sprachen gestern auch die IGM-Vertrauenskörperleiter aus den jeweiligen Betrieben. Jörg Schlagbauer (Audi) zeigte sich dabei besonders martialisch: „Wenn die Arbeitgeber die Peitsche wollen, dann schlagen wir jetzt zu.“ Für die Jugendvertretungen von Audi und Cassidian riefen die beiden Sprecherinnen Lisa Törmer und Julia Fischler in Erinnerung, dass auch die Auszubildenden sich von dieser Tarifrunde einiges erhoffen: „Her mit den 60 Euro, sonst zeigen wir die Rote Karte!“