Ingolstadt
Hinein in den Schützengraben

20 Jahre Ausstellung "Erster Weltkrieg" im Reduit Tilly: Ein durchschlagender Erfolg – nicht nur im Erinnerungsjahr

29.12.2015 | Stand 02.12.2020, 21:49 Uhr

Frontbesuch im Reduit Tilly: Heinz Weininger, Leiter der Werkstätten des Bayerischen Armeemuseums, Oberaufseher Martin Brandl und Hausmeister Konrad Mayer (v. l.) haben den Schützengraben (samt der Schützenpuppe namens Anton) einst mit Kollegen rekonstruiert. Sie kennen die Ausstellung über den Ersten Weltkrieg in- und auswendig - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Für die Stadt war es von Beginn an ein großer Zugewinn – doch bis sich die Qualität der Ausstellung zum Ersten Weltkrieg im Reduit Tilly auch weiter herumgesprochen hatte, dauerte es einige Zeit. Erst nachdem auch überregionale Zeitungen wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ die Ingolstädter Geschichtsschau gewürdigt hatten, setzte größeres Interesse über die Region hinaus ein.

Den „Großen Krieg“ von 14/18 in Erinnerung zu rufen, war für das Bayerische Armeemuseum zwar Pflichtaufgabe, doch ein Selbstläufer war das Projekt, vermeintlich so fern der zugrundeliegenden Ereignisse, seinerzeit sicher nicht.

Inzwischen, 20 Jahre nach ihrer Eröffnung, ist diese Abteilung des Armeemuseums im Klenzepark mit die meistbesuchte des Hauses – insbesondere im jetzt ausklingenden Erinnerungsjahr: 100 Jahre nach Beginn des ersten weltumspannenden Gemetzels der Menschheit haben sich dort die Besucher die Klinke in die Hand gegeben.

Unter Kennern der Materie wird die Ingolstädter Weltkriegsausstellung längst als besonders facettenreich und – auch wegen ihres teils bedrückenden Realismus – als eindringlich und einprägsam gewürdigt. „Gegenüber größeren Präsentationen zu diesem Thema brauchen wir uns nicht zu verstecken“, sagt der Militärhistoriker Ernst Aichner (Foto), als früherer Museumsdirektor maßgeblicher Gestalter der Abteilung. „Und was die Vielfalt der Themen angeht“, ergänzt er mit einem gewissen Stolz, „waren wir sogar vielen voraus.“

Wie keine andere Sektion des Armeemuseums ist die zum Ersten Weltkrieg Aichners Kind. Auch wenn an der Realisierung praktisch das ganze wissenschaftliche Team des Hauses und erst recht die komplette Werkstattmannschaft beteiligt war (siehe Bericht unten), ist die Konzeption der Dauerausstellung, die bis heute, über zwei Jahrzehnte hinweg, keinerlei Änderungen nötig gemacht hat, ihm zu verdanken.

Denn dass der Besucher stets dicht an den Objekten ist und teils in klaustrophobischer Enge durchs Obergeschoss des „Tilly“ geführt wird, ist nur bedingt der Architektur des Klenzebaus geschuldet. Aichner wollte es schlichtweg so. Er ließ (anfangs sogar gegen Widerstände staatlicher Bauexperten) keine weiten Blickachsen zu, verstellte oder verhängte Fenster, um die Augen der Besucher nicht vom Wesentlichen abzulenken, sorgte mit der Auswahl des Materials für die Kulissen (fast ausschließlich Holz und Wellblech) über weite Strecken für jene morbide Grundstruktur, die gerade das beherrschende Thema „Stellungskrieg“ so treffend auf den Punkt bringt: Atmosphärisch dicht wird das Grau und das Grauen dieses Krieges erfahrbar.

Ebenso lange, wie sie jetzt besteht, hat seinerzeit allerdings auch die Realisierung der Ausstellung in Anspruch genommen – nicht, weil es an Ideen oder Objekten gemangelt hätte, sondern weil die Finanzierung über weite Strecken schwierig war. Erst als der Freistaat ab Beginn der 80er Jahre regelmäßig hohe Beträge für die Renovierung des Reduits bereitstellte (in der Summe letztlich 16 Millionen Mark), nahm die Sache allmählich Fahrt auf.

Dass man für die eigentliche Ausstellung schließlich mit nur 1,5 Millionen Mark über die Runden kam, gilt heute noch als kleines Wunder, das vor allem dem riesigen Engagement der museumseigenen Werkstatt zu verdanken ist. „Seinerzeit haben doch woanders schon zeitlich begrenzte Sonderausstellungen mehr gekostet“, weiß Ernst Aichner.

Sicher: Ein guter Teil der Exponate (darunter auch etliche eindrucksvolle Schlachtengemälde) war bereits lange im Fundus des Museums und musste allenfalls noch etwas aufbereitet werden. Doch auch die Findigkeit und gute internationale Vernetzung seines damaligen Direktors trugen dazu bei, dass für die Dauerpräsentation Stücke aufgetan werden konnten, die nicht so schnell noch einmal (heute erst recht nicht mehr) zu finden sind. Nur ein Beispiel: Die U-Boot-Kanone, die im „Tilly“ seit nunmehr 20 Jahren als Sinnbild des Seekrieges gezeigt wird, wäre ohne Aichners Verbindung zu niederländischen Militärhistorikern wohl nie nach Ingolstadt gekommen. Sie stammt von einem Wrack, das holländische Taucher einst am Grunde der Nordsee entdeckt hatten.