Ingolstadt
Zwischen Formalien und Fakten

Streit über Abriss der historischen Mauern auf dem Gießereigelände geht morgen in eine neue Runde

22.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Der umstrittene Abriss der historischen Mauerreste auf dem Gießereigelände beschäftigt am Mittwoch den Ferienausschuss des Stadtrats. Die SPD will nachweisen, dass der mündliche Abbruchantrag des FW-Fraktionsvorsitzenden Peter Springl im Stadtrat formal nicht korrekt war.

SPD-Stadtrat Robert Bechstädt spürte gestern mit nahezu detektivischer Beflissenheit einer politisch brisanten Frage nach: Was hat der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Peter Springl, zu Beginn der Stadtratssitzung vom 28. Juli genau gesagt, als er mündlich seinen Antrag zur Eselsbastei stellte? War da schon vom Abriss des Festungsrelikts auf dem Gießereigelände die Rede, den die Freien Wähler (FW) an jenem Tag zusammen mit ihrem Stadtratspartner CSU durchsetzten (und der inzwischen vollzogen ist)? Bechstädt versuchte, den exakten Wortlaut von Springls Ausführungen zu rekonstruieren, "weil wir wissen wollen, wer am Anfang der Sitzung beim Punkt ,Änderung der Tagesordnung' was gesagt hat, und über was genau der Stadtrat später abgestimmt hat". Bechstädt und seine Fraktion sind der Überzeugung: "Hier liegt ganz offensichtlich ein Formfehler vor!"

Und das wollen die Sozialdemokraten beweisen. Dazu machte sich Bechstädt gestern auf die Suche nach einer Aufzeichnung des Audio-Live-Streams aus jener Sitzung. Zwar hat die Piratenpartei einen eigenen Mitschnitt der sechseinhalbstündigen Vollversammlung vom 28. Juli ins Netz gestellt, aber der beginnt erst bei Punkt 2.2. Es fehlt zu Bechstädts großem Bedauern der Anfang mit Springls Dringlichkeitsantrag. Deshalb fragte er im Hauptamt der Stadt nach, denn dessen Mitarbeiter greifen bei der Anfertigung des Sitzungsprotokolls auf den Mitschnitt zurück. Aber diese Dateien sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Wie berichtet, hat der Stadtrat genau an jenem 28. Juli beschlossen, alle im Internet übertragenen Sitzungen nicht in einer Mediathek zur Verfügung zu stellen, wie von der Opposition beantragt. Aber als Mitglied des Stadtrats durfte Bechstädt die Aufnahmen anhören. Und was er da vernahm, bestätigte seinen Verdacht: Der FW-Fraktionsvorsitzende habe seinen mündlich vorgetragenen Abriss-Antrag nicht formal korrekt gestellt.

Bechstädt erklärt seine Sicht der Rechtslage: Nach der Geschäftsordnung des Stadtrats müsse ein Antrag spätestens eine Woche vor der Sitzung schriftlich eingereicht werden. Dringlichkeitsanträge müssten ebenfalls schriftlich vorliegen. "Springl hat die Dringlichkeit zuerst auch nicht erwähnt", sagt der SPD-Mann; das ergebe die Aufzeichnung. Erst als der beantragte Abriss der Mauern später zur Abstimmung kam, hätten Springl und Rechtsreferent Helmut Chase den Terminus der "Dringlichkeit" bemüht. Der FW-Fraktionsvorsitzende hätte auch die Möglichkeit gehabt, einen Ergänzungsantrag zu stellen, das sei mündlich und ebenfalls kurzfristig möglich - aber nur, wenn er sich auf einen bestimmten Antrag bezieht. "Doch dafür gab es keine Grundlage", sagt Bechstädt. Zwar hatte am 28. Juli nach einem Antrag der Opposition der "Sachstandsbericht Eselsbastei" als Punkt 20 auf der Tagesordnung gestanden, "aber das war eben nur ein Sachstandbericht zur Kenntnisnahme, kein Antrag", argumentiert Bechstädt. Springl hatte diesen Punkt - für alle nicht Eingeweihten völlig überraschend - um seinen mündlichen Antrag ergänzt. Er forderte, wie berichtet, die weitgehend aus dem 19. Jahrhundert stammenden Mauerreste über der Bastion aus der Renaissancezeit, deren Erhalt der Stadtrat 2012 beschlossen hatte, abreißen zu lassen, weil sie unter anderem einem Mülllager für das Kongresshotel im Weg stünden. Diesen Vorstoß des FW-Fraktionsvorsitzenden empfanden viele Widersacher als handstreichartig. Springl hatte später gegenüber dem DK argumentiert: "Es war aus meiner Sicht notwendig." Denn es habe pressiert. Hätte er nicht so schnell gehandelt, wäre der Stadt sonst ein finanzieller Schaden entstanden. "Der Aufwand, mit dem man die Mauerreste hätte erhalten müssen, steht in keinem Verhältnis. Das hat man 2012 vielleicht so nicht gewusst."

War Springls Antrag nun formal korrekt? Darüber wird jetzt - ebenfalls sehr dringlich - debattiert. Wie berichtet, steht die Eselsbastei auf der Tagesordnung der Sitzung des Ferienausschusses, der morgen um 15 Uhr im Sitzungssaal zusammentritt. Die Oppositionsparteien fordern unter anderem, "alle derzeit stattfindenden Abrissarbeiten von Denkmälern auf dem Gießereigelände sofort zu beenden". Das Protokoll der denkwürdigen Sitzung vom 28. Juli "liegt jetzt beim OB zur Unterschrift und wird den Stadträten rechtzeitig zur Sitzung des Ferienausschusses zugehen", teilte Ingrid Schmutzler vom Presseamt der Stadt gestern mit.