Ingolstadt
Ein bisschen Hamburg

Mit drei Entwürfen sollen spanische Architekten zeigen, dass der Dallwigk-Anbau zur Ikone werden kann

20.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:40 Uhr

Der Wasserturm auf dem Kavalier Dallwigk ist bei der Höhe des Anbaus, der östlich am beziehungsweise vielleicht sogar neben dem Festungsbau entstehen soll, eine wichtige Marke. Möglicherweise überragt ihn das neue Gebäude für das Digitale Gründerzentrum mit seinem geplanten Café doch. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Braucht Ingolstadt auf dem Gießereigelände ein herausragendes architektonisches Bauwerk? Ein bisschen Elbphilharmonie. Die Chance ist da - und einmalig. Mit diesem Vorstoß brachten Bürgermeister Sepp Mißlbeck und Veronika Peters großen Schwung in die Debatte des Stadtrates.

Wer auch immer sich mit einem Vorschlag aus dem Fenster lehnt, kann natürlich leicht getroffen werden. So gesehen, war es zunächst wenig überraschend, dass der UDI-Bürgermeister und die SPD-Stadträtin für ihre Fotomontagen (über die der DK berichtete) vorab in den Sozialen Netzwerken von einigen Mitbürgern verrissen wurden. Doch das hörte sich im Stadtrat gestern am frühen Abend ganz anders an, was sie als Reaktionen aus dem Gremium bekamen. Längst hatten sich auch auf Facebook und Co. auch die Bürger (darunter OB Christian Lösel) zu Wort gemeldet, die der Idee von Peters ("Ich möchte, dass wir uns guter Architektur hingeben") grundsätzlich sehr viel abgewinnen können. Gerade am Gießereigelände, gerade am Donau-Ufer, gerade neben dem Festungsbau Kavalier Dallwigk.

Lesen Sie alles Wichtige aus der Stadtratsitzung noch einmal nach - in unserem großen Liveticker" target="_blank" %>

Peters hatte zwei Bauwerke aus Santiago de Chile als Referenzobjekte und einfach mal Denkanstöße vorgelegt. Gestern nun vernahmen die Zuhörer im Neuen Rathaus sogar den Vergleich mit der Elbphilharmonie. "Ein neues Wahrzeichen für Ingolstadt, wie Hamburg", schwärmte Hans Achhammer (CSU) über die Chancen. Die Doppeldeutigkeit seiner Worte in Bezug auf die Kostenexplosion rief Lacher bei seinem Kollegen hervor. Doch Achhammer meinte die Architektur: "Der Vorschlag war mutig", sagte er an Mißlbeck und Peters gerichtet. "Wir sollten da auch mutig sein!", signalisierte er eher unerwartete Unterstützung. 

Die kam im Grundsatz auch aus vielen Richtungen: "Es erzeugt Sympathie, dort etwas zu wagen" (Karl Ettinger/FDP), "Büroarchitektur ist an dieser Stelle untragbar" (Christoph Lauer/Grüne), "Wenn ich mich umschaue, haben es alle positiv aufgenommen" (Achim Werner/SPD), "Wir haben auch den Mut, dort mitzugehen" (Hans Achhammer (CSU).

Nur hat sich die Stadt, und damit den Stadtrat, offenbar in eine Situation manövriert, aus der nur schwer ein ikonischer Entwurf noch möglich ist. Denn der Anbau ist zusammen mit dem sanierten Kavalier Dallwigk für das Digitale Gründerzentrum gedacht, für das üppige Fördergelder fließen sollen. "2020 müssen wir die ersten 2000 Quadratmeter zur Vermietung bringen", berichtete Nicolai Alexander Fall, der Geschäftsführer der INKoBau GmbH, die mit dem Projekt betraut ist. Bisher fand bei der Stadttochter hierzu viel hinter verschlossenen Türen statt. Als die ersten Pläne des in einem langen Prozess ausgewählten Architekturbüros mit der Zeit einem größeren Kreis von Stadträten bekannt wurden und dann an die Öffentlichkeit kamen, mündete die Unzufriedenheit nun in dem Mißlbeck/Peters-Vorstoß.

Dass gestern nun noch einmal eine große Debatte über Grundsätzliches anrollte, musste Geschäftsführer Fall dennoch überraschen. Er gab sich aber zunächst pflichtbewusst: "Ich brauche Vorgaben, dann traue ich mir das zu." Doch statt einfach nur die vorgegebene Nutzfläche von den Stadträten abgesegnet zu bekommen und weiterzuplanen, rückte er unfreiwillig zwischen die Fronten. Fall beklagte sich deshalb auch leicht: Seit einem Jahr sei er an Bord, die Zeit für die Umsetzung werde immer weniger, die Baumasse immer größer, das Budget bleibe aber gleich. Fall warb deshalb: Was sei denn überhaupt ein mutiger Entwurf? "Ich bin Kaufmann, da ist man nüchterner." Das Projekt sollte "vom Nutzer her gedacht werden". Es zieht das Digitale Gründerzentrum ein. Danach müsse sich der Entwurf richten, so Falls Meinung. Um weitermachen zu können, müsse man im Stadtrat wissen, was man wolle.

Bürgermeister Albert Wittmann mahnte wieder streng, dass der Zeitrahmen mit Umplanungen und Überlegungen sicher nicht eingehalten werden könne. "Wenn Sie nicht aufpassen, sind Sie der Verlierer", sagte er deutlich an Fall gerichtet. Diese Stoßrichtung des Bürgermeisters gefiel Petra Kleine (Grüne) überhaupt nicht: "Mit Diszis, Druck und Gasalarm kriegen wir keine Lösung hin." Man dürfe es nicht dem Geschäftsführer auflasten und überlassen. "Wir müssen die Führung übernehmen." Kleine sprach OB Lösel direkt an. Dieser habe doch vor Kurzem von einem schlanken Turm geträumt. Nun sei dieser eine echte Option geworden.

Tatsächlich ist der Rathauschef offen. Neben dem Dallwigk "darf schon was stehen", sagte er über eine herausragende Architektur. "Es muss ja nicht Utopia sein." Aber man dürfe schon etwas sehen. Auch in der Höhe. "Die Bürger wollen ein hohes Café", fasste Lösel eine weitverbreitete Überzeugung zusammen. Durchaus auch über dem Niveau des Wasserturms.

Wie hoch oben, das soll jetzt mangels Zeit (und auch Wille beziehungsweise wegen rechtlicher Sorgen) die vorausgewählte Architektengemeinschaft Falk von Tettenborn/Gina Architects Barcelona mit Entwürfen für den Stadtrat zur Entscheidungsreife bringen. 6500 Quadratmeter Nutzfläche plus Café und Terrasse sind ihnen für Dallwigk und Anbau vorgegeben. Drei Gebäude- und drei Fassadenentwürfe sollen die renommierten Spanier, die unter anderem schon für Olympia 1992 in der Heimat beeindruckend gebaut haben, vorlegen. "Denen kann man doch was zutrauen!", sagte Hans Achhammer. Die Auflösung, ob ein kleines bisschen Hamburg möglich ist, soll noch vor der Sommerpause erfolgen.