Ingolstadt
Genuss ohne Reue

Rupert Ebner will mit der CSU/FW-Koalition grüne Politik machen, sich aber die Finger nicht verbrennen

11.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:42 Uhr

Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Nein, Rupert Ebner (61) ist nicht gerade das, was man sich landläufig unter einem typischen bayerischen Kommunalpolitiker so vorstellt. Und es ist gar nicht leicht zu erklären, warum es ein Tierarzt wie er in der Endphase seines Berufslebens zum ersten Stadtreferenten der Grünen in der Geschichte Ingolstadts gebracht hat. Der Ausgang dieses „Experiments“ (Fraktionschefin Petra Kleine) scheint jedenfalls nach über einem Jahr im Amt noch völlig offen.

Um Rupert Ebners politischen Weg zu verstehen, muss man das Thema kennen, das ihn seit Jahrzehnten umtreibt: Er liebt den Beruf des Tierarztes, findet aber die Zustände im Veterinärwesen teilweise verheerend – und will das mit aller Macht ändern. „Heute werden Tierarzneimittel vertrieben wie Waschmittel“, hat er beobachtet. „Jeder tierärztliche Kongress ist von der Pharmaindustrie finanziert.“ Ein Leitantrag beim Landesparteitag der Grünen in einer Woche („Antibiotika nur im Einzelfall bei kranken Tieren“) trägt deshalb auch Ebners Handschrift.

Der Mann, der im Juli 2014 auf sechs Jahre zum städtischen Referenten für Gesundheit, Klimaschutz und Umwelt gewählt wurde, stammt aus Schwabmünchen bei Augsburg. Nach der Mittleren Reife lernte er zunächst Bankkaufmann, nachdem er sich schon als Schulsprecher erste politische Sporen verdient hatte. So gesehen sei er „der älteste gelernte Politiker in der Stadt“, wie Ebner bemerkt. Damals ging es gegen die Neubaupläne eines roten Bürgermeisters. „Das hat mich in die Arme der CSU getrieben.“ Es war die gleiche Zeit, in der ein Theo Waigel als Landesvorsitzender der Jungen Union seine Karriere startete.

Die Politik trat für Ebner erst einmal in den Hintergrund, als er das Abitur nachholte und als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes Veterinärmedizin studierte. Seine Approbation folgte 1984, die Promotion 1999. In Ingolstadt lebt und arbeitet der selbstständige Tierarzt seit 1988.

„Wenn man eine politische Ader hat, kann man es nicht lassen“, lautet seine Erklärung dafür, dass er sich nie auf die reine Berufstätigkeit beschränken wollte. Ebner mischte sich unentwegt in die Standespolitik ein, ob beim GammelfleischSkandal oder der BSE-Bekämpfung, ob bei Landtagsanhörungen über Tierhaltung oder Futtermittelkontrollen, ob beim „Ingolstädter Modell“ der risikofreien Schlachtung oder der umstrittenen Hähnchenmast.

„Wenn die Pute nicht vom Bauern aus Hundszell stammt, kommt bei uns keine auf den Tisch“, antwortete der Aktivist von Slow Food Deutschland einmal im DK-Interview auf die Frage nach seinen Ernährungstabus. Lachs sei inzwischen „nicht mehr akzeptabel“, ebenso Garnelen aus Vietnam. Erst kürzlich attackierte er bei einem Aktionstag in Nürnberg die Geschäftspraktiken in der Branche: „Wenn der Handel nahrhafte Lebensmittel nicht annimmt, weil die Kunden krummes Gemüse angeblich verschmähen, produzieren wir systematisch Lebensmittel für die Tonne.“

Dass ein politischer Mensch mit diesem Hintergrund in der CSU etwas werden kann, mag das langjährige Parteimitglied Rupert Ebner vielleicht bis zum März 2009 noch geglaubt haben. „Ich wäre sofort startklar und bräuchte keine Anlernzeit“, verkündete er damals mit erfrischender Naivität vor den Delegierten im Gasthaus Mödl von Neuburg-Zell. Die CSU-Mitglieder des Bundeswahlkreises hatten darüber zu befinden, wer in Berlin der Nachfolger von Horst Seehofer als Bundestagsabgeordneter werden sollte. Ebner hatte gegen den 24 Jahre jüngeren Reinhard Brandl keine Chance. „Es war eine Fehleinschätzung“, so sieht er heute seine Kandidatur von 2009, die er übrigens beim Unsernherrner Krautfest öffentlich gemacht hatte, „dass jemand mit meinem kritischen Geist in der CSU gebraucht wird.“ Ihm wäre es wahrscheinlich so gegangen wie dem Sprecher des CSU-Umweltarbeitskreises, Josef Göppel. „Der ist super, aber einfluss- und bedeutungslos.“

Fortan sollten noch weitere Kandidaturen Ebners folgen, wenngleich unter grüner Flagge. In den Landtag schaffte er es nicht, dafür 2014 in die gestärkte Stadtratsfraktion der Grünen, die plötzlich als Koalitionspartner der CSU mit ihrem neuen OB Christian Lösel ernsthaft im Gespräch war. Kuriose Konstellationen schienen vorstellbar, die Grünen steckten mit den Christsozialen die Köpfe zusammen, zwischendurch begleitet von einem merkwürdigen Alleingang des Neulings Henry Okorafor.

Eine Koalition der CSU mit den Grünen wäre denn doch zu viel des Guten gewesen, da hielt es die dominierende Rathausfraktion letztendlich lieber mit ihrem bewährten Bündnispartner FW. Immerhin: Das Angebot, in der Stadtregierung erstmals einen Referenten zu stellen, war auch nicht ohne und stürzte die Grünen wiederum in heikle Personaldebatten. „Ich hab’ gerade vier Ochsen in Narkose gelegt, da klingelte das Telefon“, erzählt Ebner, wie nach einem Anruf Petra Kleines seine Kandidatur endgültig geklärt wurde.

Zu Ebners holprigem Start als Umweltreferent im Juli 2014 trugen nicht zuletzt die Freien Wähler bei, die an seiner internen Vorstellung im Stadtrat keinen Gefallen fanden. Warum, das will Fraktionschef Peter Springl noch immer nicht so deutlich sagen. Die Abneigung des Kandidaten gegen eine vierte Donauquerung – Lieblingsprojekt der FW – hat dabei sicher eine Rolle gespielt. Aber es gebe eben „politisch wichtige Referate“, meint Springl grinsend, und andere. Sein zwiespältiges Kompliment über Ebners Wirken: „Bisher hat er uns noch nicht wehgetan.“

Bei der Abstimmung im Stadtrat konnte sich der Grünen-Kandidat damals nur knapp mit 26 zu 23 Stimmen gegen die Eichstätter Amtsärztin Verena Eubel durchsetzen. Dass die Sozialdemokraten Vorbehalte gegen ihn hatten, rührte wohl noch von den lebhaften Erinnerungen an den langjährigen Umweltreferenten Fritz Bernhard her, der das Ressort als Sozialdemokrat mit viel Engagement aufgebaut hatte.

Seit einem Jahr läuft nun das von Kleine so bezeichnete „Experiment“ einer grünen Regierungsbeteiligung. „Die Kleine sagt, dass sie dagegen, dagegen, dagegen ist“, stichelt einer aus der Koalition, „und aus dem Grund stimmt sie dann dafür.“

Früher sei die Grüne „schärfer“ gewesen, findet auch ein Mitglied der SPD-Fraktion. „Die muss halt zweierlei Rücksichten nehmen.“ Und Ebner? „Der hat bis jetzt noch keine Spuren hinterlassen, aber auch keine eklatanten Fehler gemacht.“

In einer so stark wachsenden Boomstadt wie Ingolstadt, die total von der Autoproduktion abhängig ist, werde einem Umweltreferenten nicht unbedingt „der rote Teppich ausgerollt“, gibt Ebner nach seinem ersten Jahr zu bedenken. Klar, dass sein Ressort mit dem Sanierungsplan für das ehemalige Raffineriegelände schwer beschäftigt war und ist.

Das reicht aber als Erklärung nicht aus, warum sich der Leiter des Umweltreferats in den Stadtratsdebatten eine solche Zurückhaltung auferlegt. Ob über den zweiten Grünring gestritten wird, über einen Tunnel durch den Auwald oder über die vollwertige Verpflegung in den Schulen – Rupert Ebner sitzt auf der Referentenbank, genießt und schweigt. Der politische Diskurs findet – zumindest für die Öffentlichkeit sichtbar – ohne ihn statt.

Der Mann sei wohl zu sehr „embedded“, so formuliert es ein Kenner der Naturschutzszene – vergleichbar einem US-Kriegsreporter, der im Panzer mitfahren darf, aber nicht allzu kritisch über die Armee schreiben sollte. Etwas diplomatischer drückt sich Michael Würflein aus, der örtliche Vorsitzende des Bundes Naturschutz. Er habe Rupert Ebner als durchaus „kommunikativen und authentischen“ Referenten kennengelernt.

„Wir wünschen uns aber, dass er noch stärkere Akzente setzen und seine Position ausbauen kann.“ Den Wunsch haben sicher viele, die dem ersten Stadtreferenten der Grünen wohlgesonnen sind. Nicht, dass es Ebner in der Stadtregierung noch so ergeht wie Josef Göppel in der CSU.