Ingolstadt
Gemeinsam gegen fatale Zinspolitik

OB Lösel sieht Alterssicherung gefährdet und will Gewerkschaften als Bundesgenossen gewinnen

01.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Beim DGB immer in der ersten Reihe: Johann Horn, Jörg Schlagbauer und Bernhard Stiedl (von rechts) repräsentieren die Gewerkschaftsspitze, während Alt-OB Alfred Lehmann (links im Hintergrund) gelassen der Rede seines Nachfolgers Christian Lösel zuhört. - Foto: Betz/Stadt Ingolstadt

Ingolstadt (DK) OB Christian Lösel hat am Samstag an die Gewerkschaften appelliert, gemeinsam mit den Parteien für eine Änderung der "absolut unsozialen" EZB-Zinspolitik zu kämpfen. "Das muss aufgegriffen werden", forderte er beim traditionellen Empfang am Vorabend des Maifeiertages.

Vor den Arbeitnehmervertretern prangerte Lösel im Alten Rathaus die Niedrigzinspolitik der Europabanker an, die "für einen Großteil unserer Bevölkerung ein Warnsignal" bedeute. "Was hier momentan geschieht, wird bei uns zu erheblichen Verwerfungen führen." Lösel sprach von einem "regelrechten Tanz auf dem Vulkan". Das gesamte System der Altersversorgung werde "ausgehöhlt", da sich langfristige Anlagen wie Lebensversicherungen nicht mehr lohnten. Und von der Möglichkeit, sicheres Immobilieneigentum zu erwerben, seien ganze Schichten der Bevölkerung mangels Bonität ausgeschlossen.

Der Rathauschef zitierte eine Umfrage, wonach mehr als jeder Zweite in Deutschland fürchtet, für das Alter nicht abgesichert zu sein. "Wir müssen alle von dem leben, was wir ansparen." Die Niedrigzinsen seien auch der Auslöser für die Fusion der Sparkassen in Ingolstadt und Eichstätt gewesen.

Der Arbeitsmarkt sei nach wie vor in der gesamten Region in einer "exzellenten Lage", so der Oberbürgermeister. Und rechnerisch kämen auf einen Bewerber zwei Ausbildungsplätze. Überhaupt sei der Arbeitsmarkt die "eigentliche Basis für das soziale Ingolstadt".

Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB-Stadtverbands Ingolstadt, nahm Lösel beim Wort und erinnerte an dessen Neujahrsansprache: Eine wirtschaftlich so starke Stadt wie Ingolstadt müsse auch im sozialen Bereich eine Spitzenposition anstreben. "Es wird Sie nicht verwundern", wandte Stiedl sich an den CSU-Politiker, "wenn wir als Gewerkschaften dies genauso sehen." Dazu passe jedoch nicht die kürzlich vom Stadtrat beschlossene Erhöhung der Kita-Gebühren. Dieses "falsche Signal" sollte zurückgenommen werden, forderte Stiedl.

Er ließ ein entschiedenes Plädoyer für den Sozialstaat folgen, der weder ein "sozialistischer Restposten" noch "Klimbim" oder "Gedöns" sei, sondern ein "Demokratiestärkungssystem". Niedriglöhne, Leiharbeit und Werkverträge seien "keine Merkmale einer modernen Wirtschaft, sie sind ein sozialstaatlicher Skandal", sagte der Gewerkschafter.

Auf der anderen Seite stünden Spitzenverdiener und Vermögende, die kein Interesse an staatlichen Leistungen und sozialer Sicherung hätten, "weil sie sich das alles privat kaufen können und ihr Geld in Panama vor dem Fiskus verstecken". Doch diese Vermögenden verdienten ihren Reichtum "nicht im luftleeren Raum, sondern haben ihn der gesamten Gesellschaft zu verdanken".

Angesichts der allgegenwärtigen Krisen und rechtspopulistischen Umtriebe sieht der DGB-Sprecher "viele Parallelen zu 1933": Die Stimmung sei gefährlich, sie werde befeuert von politischen Kräften, die Ausgrenzung, Hass und zunehmend auch Gewalt schürten. "Darum ist entscheidend, dass Politik handelt", mahnte Stiedl, "wirksame Lösungen anbietet und sich nicht von Populisten treiben lässt." Für Freiheit und Demokratie müsse immer wieder neu gekämpft werden - auch in der heutigen Zeit.