Ingolstadt
"Gegenentwurf zur normalen Medizin"

Der Ingolstädter Arzt Heinz Gärber erklärt die Vorteile und Grenzen klassischer Homöopathie

12.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:58 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Anlässlich der "Internationalen Woche der Homöopathie", die weltweit immer um den Geburtstag des Gründers der Homöopathie, Samuel Hahnemann, am 10. April begangen wird, veranstalten die Mitglieder des Ingolstädter Arbeitskreises für klassische Homöopathie heuer erstmals einen "Ingolstädter Homöopathie-Tag".

Der promovierte Mediziner Heinz Gärber (kleines Foto), Ärztlicher Leiter der Akademie für ganzheitliche Gesundheitsbildung in Ingolstadt, setzt in seiner Praxis schwerpunktmäßig auf Homöopathie. Wir haben uns mit ihm über die Vorteile der "sanften Medizin", aber auch ihre Grenzen, unterhalten.

 

Die Schulmedizin wird immer technischer, immer besser. Dennoch ist der Trend zur Homöopathie ungebrochen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Heinz Gärber: Ich denke, in erster Linie sind die Menschen enttäuscht von dem Umgang der Ärzte mit den Patienten, auch aufgrund des Zeitmangels. Aber sie merken auch, dass die herkömmliche Medizin ihnen dauerhaft nicht genügend hilft. Bei der Homöopathie sehe ich den Vorteil, wenn ich den Menschen ganzheitlich erfassen kann, dass dann auch langfristig eine Besserung eintreten kann. Dass der Patient langfristig gesünder wird.

 

Nun gibt es bis heute für Homöopathie keinen Nachweis der Wirksamkeit. Gegner sagen, die Mittel sind so stark verdünnt, dass von dem ursprünglichen Stoff nichts mehr enthalten ist. Warum wirkt es dennoch in vielen Fällen?

Gärber: Es stimmt, dass der letztliche Nachweis noch nicht wirklich sichtbar ist. Aber es gibt ganz gute Ansätze in der klinischen Forschung. Es gibt Homöopathieforschung, teilweise in Reagenzgläsern, teilweise auch bei Pflanzen. Und da sieht man deutlich, dass bestimmte homöopathische Mittel, die eingesetzt werden, mehr Wirkung haben als ein Placebo. Der Punkt, dass es nur Verdünnung ist, wird zwar immer angeführt, ist aber nicht richtig. Weil es nicht nur eine Verdünnung ist, sondern eine Wirkverstärkung durch Energiezufuhr. In der Herstellung kommt zum Verdünnungsschritt die Verschüttelung, das heißt Energiezufuhr.

 

Das Verschütteln macht also die Wirkung aus?

Gärber: Das hat sich auch in der Forschung gezeigt, wenn es um Wasser geht. Dass das Wasser nicht gleichmäßig verteilt wird, sondern die Information über das Wasser weitergegeben wird. Da gibt's Modelle, die zeigen, dass sich in einem Glasgefäß das Wasser am Rand anders verteilt als in der Mitte. Dass sozusagen bei der Herstellung das Arzneimittel an der Gefäßwand mehr hängen bleibt als innen drin. In der Herstellung werden die Gläser natürlich noch mal entleert oder umgefüllt, aber es bleibt in dem Glas noch was übrig.

 

Es geht also nicht nur darum, dass der Glaube Berge versetzt?

Gärber: Nein. In der Behandlung sehe ich tagtäglich, dass Homöopathie eine Wirkung hat, eine extrem schnelle Wirkung. Aber es gibt auch Grundlagenforschung, die zumindest Ansätze zeigt, wie das homöopathische Mittel wirkt.

 

Warum wird Homöopathie von der Schulmedizin so wenig anerkannt und sogar teilweise verteufelt?

Gärber: Zum einen ist die Schulmedizin, wenn man sie so nennen will, so, dass es bestimmte Richtlinien gibt, wie Medizin betrieben wird. Das war schon immer so, das war auch zu Hahnemanns Zeiten schon so. Nur war die Medizin damals noch viel unterschiedlicher, ganz anders als heutzutage. Heute hat man viel bessere Möglichkeiten, auf Krankheitsprozesse einzugreifen. Das Prinzip der Homöopathie, wie es Hahnemann beschrieben hat, ist so ganz anders. Es ist wie ein Gegenentwurf zur normalen Medizin, und deswegen wird es als Feinschaft erlebt. Das ist was Unbekanntes, man weiß nicht genau, wie es funktioniert. Man kann sich eben diese Wirkverstärkung durch die Verdünnungs- und Potenzierungsschritte einfach nicht wirklich vorstellen, und deswegen wird es von Haus aus als nicht wissenschaftlich oder als nicht wirksam gesehen.

 

Sie sind selbst Schulmediziner. Wie sind Sie zur Homöopathie gekommen?

Gärber: Ich hatte ein Aha-Erlebnis im Studium. Ich hatte damals eine Vorlesung besucht über Grundlagen der Homöopathie. Das hat mich so begeistert, was es da an Heilungsmöglichkeiten gibt.

 

Dennoch hat ja Homöopathie Grenzen. Wo sehen Sie die Grenzen der sanften Medizin?

Gärber: Ganz klar sind die Grenzen bei lebensbedrohlichen Akutereignissen wie zum Beispiel bei einem Unfall, auch beim Knochenbruch. Da können wir nicht rein homöopathisch behandeln. Da muss die Notfallmedizin ran, da muss der Chirurg ran.

 

Und Krankheiten wie Krebs?

Gärber: Bei einer Krebserkrankung ist es oft zu spät für die Homöopathie. Die homöopathische Behandlung würde im Vorfeld vielleicht noch helfen, das zu verhindern. Aber rein homöopathisch bei Krebserkrankungen zu behandeln, obwohl solche Fälle auch beschrieben sind, das ist sicher eine Ausnahme, hier ist eine sichtbare Grenze.

 

Könnte es eine Ergänzung zu einer schulmedizinischen Behandlung sein?

Gärber: Ja. Das mache ich auch. Da habe ich einige Patienten, wo wir sehen, es gibt Verbesserungen in der Verträglichkeit der Chemotherapie oder insgesamt in der Stabilisierung. Die Leute sind insgesamt fitter, vertragen Medikamente besser und haben dadurch eine bessere Energie beziehungsweise ihre Lebensqualität ist durch die Begleitbehandlung mit homöopathischen Mitteln besser. Eine Grenze ist auch, wenn Organe geschädigt sind. Beispiel Herzinfarkt. Oder bei Leberzirrhose. Wenn die Leber schon weitgehend kaputt ist, dann können wir nicht mehr viel machen.

 

Dann kommt's auf den Homöopathen an, dass er die Grenze erkennt und dann auch gegebenenfalls den Patienten zu einer schulmedizinischen Behandlung schickt.

Gärber: Genau. In sofern ist es mir auch wichtig, eine Zusammenarbeit mit anderen Kollegen zu haben. Ich behandele zwar fast ausschließlich homöopathisch, habe aber auch Kollegen, mit denen ich zusammenarbeite. Der Patient steht im Mittelpunkt.

 

Das Gespräch führte

Ruth Stückle.