Ingolstadt
Gegen den Willen in der Psychiatrie?

Unabhängige Beschwerdestelle in Ingolstadt ist für Patienten und Angehörige da – Oft bringt ein Gespräch Klärung

19.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr

Führungsduo der unabhängigen psychiatrischen Beschwerdestelle in Ingolstadt: Eva Straub und Christian Holzschuh - Foto: Stückle

Ingolstadt (DK) Immer mehr Menschen werden psychisch krank. Doch was, wenn sich ein Patient falsch behandelt fühlt? Wenn er glaubt, gegen seinen Willen in einer Klinik festgehalten zu werden? Dann sind Eva Straub und Christian Holzschuh gefragt, die Leiter einer im Frühjahr in Ingolstadt eröffneten, unabhängigen psychiatrischen Beschwerdestelle.

Gustl Mollath ist der prominenteste Fall eines Menschen, der tatsächlich zu Unrecht in einer psychiatrischen Einrichtung festgehalten wurde. So drastisch wie sein Fall sind die Beschwerden, die bei Eva Straub und Christian Holzschuh eingehen, in aller Regel nicht. Hier geht es oft um Missverständnisse. In vielen Fällen lassen sich die Anschuldigungen durch ein Gespräch klären.

Unabhängige psychiatrische Beschwerdestellen werden vom Bezirk gefördert. Die Zahl der Einrichtungen in Oberbayern soll bis Mitte 2015 auf neun ausgebaut werden. Seit diesem Frühjahr gibt es dieses Angebot auch für die Region Ingolstadt. „Das ist ein ganz großer Fortschritt der Menschlichkeit“, betont Eva Straub. Sie ist sicher: „Die Zufriedenheit mit der Behandlung und Betreuung ist Voraussetzung für eine Besserung der Erkrankung.“ Sei dies nicht gegeben, bedürfe es einer neutralen Stelle, bei der psychisch Kranke ihren Verdruss loswerden und auf Unterstützung hoffen können. Als Vorsitzende des Vereins der Angehörigen psychisch Kranker und Mutter eines an Schizophrenie leidenden Sohnes ist Eva Straub gut mit dem Thema vertraut. Die Gaimersheimerin und Christian Holzschuh, der als stellvertretender Vorsitzender der Oberbayerischen Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener die Sorgen und Nöte von Psychiatriepatienten aus eigener Erfahrung kennt, leiten die Beschwerdestelle in Ingolstadt – das Team besteht aus sieben Ehrenamtlichen.

Oft sei es ein Mangel an Information, der zu Frust und Ärger führe, betont Straub. So habe sich etwa ein Vater bitterlich beklagt, weil er in die stationäre Behandlung seines Sohnes überhaupt nicht eingeschaltet werde und keinerlei Informationen bekomme. Als sich die Beschwerdestelle einschaltete, war schnell klar, dass die Ärzte gar nicht anders handeln konnten. Der 20-Jährige war nicht bereit, eine Schweigepflichtentbindung zu unterzeichnen, die den Medizinern erlaubt hätte, mit den Eltern zu sprechen. Eva Straub hat dem Vater daraufhin die Gesetzeslage erklärt – „der ging dann beruhigt nach Hause“.

In vielen Fällen richten sich die Beschwerden von Betroffenen gegen gesetzliche Betreuer. Vor allem, wenn es um gerichtlich angeordnete Zwangsunterbringungen geht. Nicht selten stehen rechtliche Fragen im Mittelpunkt. Oft seien Missverständnisse Anlass für eine Beschwerde. „Psychisch Kranke sind äußerst sensibel“, sagt Holzschuh. „Vor allem, wenn es darum geht, ernst genommen zu werden.“ Er selbst sei „immer wieder in ein tiefes Loch gefallen“, war wegen Depressionen in stationärer Behandlung.

Der Verein der Angehörigen und Freunde psychisch Kranker sowie die Oberbayerische Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener sind die Träger der Beschwerdestelle in Ingolstadt. In Rechtsangelegenheiten vertritt sie nicht. Die Beratung ist kostenlos. Sprechstunde ist jeden zweiten Donnerstag im Monat von 15 bis 16 Uhr und nach Vereinbarung im Bürgerhaus Alte Post, Kreuzstraße 12 (Raum A 1). Telefonisch erreichbar ist die Beschwerdestelle unter der kostenlosen Nummer (08 00) 3 03 20 14 oder über E-Mail an beschwerdestelle@upb-obb-nord.de. Weitere Informationen im Internet unter www.upb-obb-nord.de.