Ingolstadt
Gegen das Vergessen

Holocaust-Überlebender Leslie Schwartz erzählt seine Geschichte am Scheiner

22.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:46 Uhr

Aufmerksame Zuhörer: Leslie Schwartz war am Christoph-Scheiner-Gymnasium zu Besuch und erzählte den Schülern der Oberstufe, wie er den Holocaust überlebt hat. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Eine Zeitreise in die dunkelsten Jahre der deutschen Geschichte erlebten gestern die Schüler der Oberstufe des Christoph-Scheiner-Gymnasiums. Leslie Schwartz, ungarischer Jude und Überlebender des Holocaust, erzählte den Schülern seine bewegende Lebensgeschichte.

Es ist ganz still in der Pausenhalle. Die Schüler lauschen gespannt und interessiert der Stimme des alten Mannes. Er ruft die Schüler dazu auf, nicht zu vergessen. „Ihr seid die, die es weitererzählen müssen!“, gibt Leslie Schwartz den Jugendlichen mit auf den Weg. Nachdem er seinen Satz beendet hat, kommt Schulleiter Gerhard Meier ans Mikrofon und bedankt sich bei ihm für seinen Vortrag. Langsam regen sich die Schüler, das Gemurmel wird lauter, und die Ersten erheben sich. Die einen packen ihre Sachen und machen sich auf den Weg nach Hause, die anderen gehen auf Schwartz zu und schließen ihn in die Arme. Teilweise auch mit Tränen in den Augen.

Schon letztes Jahr war Leslie Schwartz am Scheiner-Gymnasium zu Besuch. Es ist ihm ein Anliegen, an die Schulen zu gehen und seine Geschichte zu erzählen, teilweise auf Deutsch, teilweise auf Englisch. In seiner Erzählung führt er die Jugendlichen bis ins Jahr 1930 zurück, das Jahr, in dem er geboren wurde. 1944 wurde er mit seiner Familie ins Konzentrationslager (KZ) nach Auschwitz gebracht. An der berüchtigten Rampe von Auschwitz hat er seine Mutter und seine Schwestern zum letzten Mal gesehen, dann wurden sie weggebracht und ermordet.

In Auschwitz war er mit anderen Buben in seinem Alter zusammen. „I couldn’t understand, how they could play and laugh in hell.“ Schwartz konnte nicht verstehen, wie die Buben in der Hölle spielen und lachen konnten. Er gab an, dass er 17 Jahre alt wäre, also drei Jahre älter, als er eigentlich war. Deshalb kam er nach Dachau ins KZ und musste Zwangsarbeit leisten. Immer wieder wurde er in neue Lager verschoben. Als die Alliierten immer näher rückten, wurden die Gefangenen in Züge gezwängt und abtransportiert, sie sollten alle vernichtet werden. Auch Schwartz war in einem Zug, der in Poing hielt. Der Zug stand im Bahnhof eine Weile, weil etwas defekt war. Dadurch verbreitete sich das Gerücht, dass der Krieg zu Ende sei. „Ich weiß noch genau: Es war der 27. April 1945.“ Die Bewacher haben die Gefangenen freigelassen, allerdings nur, um daraufhin ein Massaker anzurichten. Auch Schwartz wurde im Gesicht von einem Schuss getroffen. Drei Tage später wurde der Zug von den Alliierten befreit. Leslie Schwartz zog zu seinem Onkel in die USA.

Schwartz erzählt den Schülern aus seinem Leben, und sie dürfen Fragen stellen. Das Interesse ist groß. Schwartz betont immer wieder: „Ich hatte Glück. Meine ganze Lebensgeschichte ist reines Glück, Glück und wieder Glück.“ Es ist ihm auch sichtlich ein Anliegen, warum Schwartz vor der Gruppe Jugendlicher steht. „It’s up to you now. Love is stronger than hate“ – es liegt an euch, Liebe ist stärker als Hass, macht er ihnen klar.

Die Schüler hat der Vortrag sehr beeindruckt. „Es war sehr emotional. Ich finde es wichtig, dass wir mit Zeitzeugen sprechen können. Dann ist man viel näher am Thema dran als bei einem Text aus dem Schulbuch“, meint Rebecca Hahnspach. Auch Johannes Grader hat der Vortrag beeindruckt: „Ich finde es gut, dass er durch ganz Europa an die Schulen reist und auch unsere Fragen beantwortet.“

An die Schüler gibt Schwartz auch eine wichtige Botschaft weiter: „Ihr sollt mich nie vergessen. Denn ihr müsst die Geschichte weitererzählen.“