Ingolstadt
Führen mit Herz

Pater Anselm Grün sprach vor Audi-Mitarbeitern über "Wertschätzung im Beruf"

20.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Anregungen für eine gute Unternehmenskultur: Pater Anselm Grün (r.) wurde gestern bei Audi von Jörg Schlagbauer begrüßt. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) „World Café“ heißt eine Veranstaltungsreihe des Audi-Betriebsrats für Mitarbeiter. In lockerer Runde sollen „festgefahrene Prozesse und Strukturen im Sinne der Belegschaft“ verändert werden. Gestern ging es um Wertschätzung in Beruf und Gesellschaft. Gastredner war Pater Anselm Grün.

Für das besinnliche Ordnen der Gedanken ist alles bereitet: In der Betriebskantine sind viele kleine Stuhlkreise zusammengestellt. Immer sechs Stück, in der Mitte liegen je sechs Filzstifte auf einem großen Bogen Papier; damit werden die Audi-Mitarbeiter später vielleicht die ideale Führungskraft entwerfen oder Ähnliches. Was genau hier entsteht, bleibt für alle Uneingeweihten ein Geheimnis. Die Journalisten werden nach dem Vortrag des Ehrengasts und Impulsgebers, Pater Anselm Grün, hinausgebeten, denn die Mitarbeiter sollen unbeobachtet, in vertrauensvoller Runde und somit möglichst ehrlich darüber sprechen, wie sie die Wertschätzung bei Audi empfinden.

Der Betriebsrat, Initiator des „World Café“, hofft auf viele hilfreiche Erkenntnisse, um – wenn nötig – die Stimmung im Unternehmen zu heben und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Dieser Zusammenhang kommt an dem Nachmittag öfter zur Sprache.

120 Kollegen aller Abteilungen und hierarchischen Stufen haben sich versammelt, ausgewählt per Zufallsgenerator – ein Querschnitt durch die Audi-Belegschaft. Es ist dem Betriebsrat ein Anliegen, dass die Impulse der Aussprache weit ins Werk ausstrahlen.

Ohne Wertschätzung im Unternehmen gehe es jedem Beschäftigten „wie einer Pflanze, der man das Wasser entzieht – wir verkümmern“, betont Jörg Schlagbauer, der Leiter des IG-Metall-Vertrauenskörpers bei Audi, zur Einstimmung. Man treffe im Arbeitsleben neben vielen geschätzten Kollegen leider auch immer wieder Menschen, denen der Respekt dem anderen gegenüber anscheinend abhandengekommen sei. „Wir treffen auf Menschen, die sich im Licht ihres Erfolges sonnen und gleichzeitig einen großen Schatten auf die Kollegen werfen – manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Dagegen sollten wir uns wehren.“

Anselm Grün hilft dabei gern. Der bekannte Benediktinerpater, Autor vieler Bücher und gefragter Führungskräftetrainer, nimmt sich der Wertschätzung aus christlicher Sicht an – aber auch aus einer krisenhaften. Er schildert, was passieren kann, wenn es Unternehmen an Werten gebricht (der Ordensmann kommt eben viel rum in der Wirtschaft). Grundsätzlich gilt: „Eine Firma, die Werte lebt, ist auf Dauer erfolgreich.“ Anfangen müsse aber jeder bei sich. Stichwort Gerechtigkeit. „Nur, wenn ich meinen eigenen Werten gerecht werde, kann ich anderen gerecht werden. Ich kenne viele Führungskräfte, die andere immer entwerten müssen und um sich herum Bewunderungszwerge brauchen.“ Mangelnde Gerechtigkeit führe zu „Reibungsverlusten“, sagt Pater Anselm, „und das schadet dem Unternehmen“. Es gehöre auch zur Verantwortung einer Führungskraft, „das Risiko zu tragen, kritisiert zu werden“.

Grün nennt weitere Werte, die für ein gesundes Betriebsklima wichtig sind: Das richtige Maß, auch bei dem Bild, das man von sich selbst hat. „Wenn man immer perfekt und gut drauf sein muss, entspricht das nicht unserem Maß. Dann rebelliert die Seele.“ Und: Klugheit. „Es lähmt Firmen, wenn Entscheidungen autoritär getroffen werden oder gar nicht.“ Vor allem natürlich: Glaube, Liebe und Hoffnung. „Man muss an einen guten Kern glauben, nur dann kann man Gutes wecken. Der Glaube an Gott muss sich ausdrücken im Glauben an den Menschen.“