Ingolstadt
Familien zieht es wieder mehr aufs Land

Die neue Bevölkerungsstatistik für Ingolstadt und die Region führt zu aufschlussreichen Erkenntnissen

31.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:22 Uhr

Wunschwohnort Wettstetten: Annett und Gordon Geißler mit ihren Kindern Alwin (8), Jette (4) und Heimo (1) vor dem Wettstettener Neubaugebiet "Am Feuergalgen II". Das Foto zeigt sie im April dieses Jahres. ‹ŒArch - foto: Gülich

Ingolstadt (DK) Die Einwohnerzahlen in Ingolstadt und den Nachbarlandkreisen steigen weiter kräftig, wobei der Anteil der Stadt am Bevölkerungswachstum auffällig gesunken ist. Vor allem Familien siedeln sich wieder deutlich mehr im ländlichen Raum an. Das geht aus der neuen Einwohnerstatistik hervor.

Die Kunst der Statistik besteht nicht nur darin, Zahlen zusammenzutragen und auszuwerten. Es gilt auch, die Hintergründe der Daten zu erforschen und sie in den gesellschaftlichen Kontext einzuordnen, um Entwicklungen erklären und - so weit möglich - prognostizieren zu können. Helmut Schels, der Sachgebietsleiter Statistik in der Stadtverwaltung, hat jetzt die Bevölkerungsentwicklung in Ingolstadt und den drei Nachbarlandkreisen seit 2011 ausgewertet und eine Menge aus den Zahlen herausgelesen, etwa Hinweise auf einen neuen Trend im Siedlungsverhalten von Familien in der Region. Und klare Belege für die Attraktivität der Stadt sowie der Mittelzentren um sie herum.

Schels erarbeitete seine Studie auf der Grundlage der vollständigen, amtlichen Einwohnerdaten, also nicht nur der vorläufigen aus dem Melderegister. Am Dienstag stellte er die Ergebnisse in der Pressekonferenz der Stadt vor. Demnach wächst die Bevölkerung in der Region Ingolstadt (in der Behördenzählung die Region 10) mit den Landkreisen Eichstätt, Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen weiter kräftig und deutlich über dem bayerischen Durchschnitt. Seit 2011 gab es einen Zuwachs von 4,8 Prozent - das sind rund 22 000 Menschen. Der Landkreis Pfaffenhofen legte in diesem Zeitraum besonders zu: Hier stieg die Einwohnerzahl um 6,1 Prozent, das entspricht 7155 Neubürgern. Aber auch die Landkreise Eichstätt (plus 3,9 Prozent, 4844 Personen) und Neuburg-Schrobenhausen (plus 4 Prozent, 3681 Personen) sowie die Stadt Ingolstadt (plus 5 Prozent, 6362 Personen) ziehen die gesamte Region in der Statistik weit nach oben.

Schels spricht von einem "sehr, sehr starken Einwohnerwachstum vor allem wegen Zuzügen aus dem Ausland", wobei er anhand der Zahlen festgestellt hat, dass die allermeisten kommen, weil sie hier einen Arbeitsplatz gefunden haben. Eine "Zuwanderung in die Sozialsysteme", von der in der Politik immer wieder besorgt die Rede ist, finde in Ingolstadt und der Region nicht nennenswert statt. "Wir haben vielmehr eine Zuwanderung auf Arbeitsplätze", sagte Schels. "Die Beschäftigung steigt, die Arbeitslosenzahlen steigen nicht."

Die sehr vitale Bevölkerungsentwicklung verdanke sich auch einem Geburtenboom, der seit 2011 vor allem in Ingolstadt und im Landkreis Eichstätt deutlich zum Wachstum beiträgt. Der sogenannte natürliche Saldo, also die Differenz aus Geburten minus Sterbefälle, ist dort stark gestiegen. Ingolstadt hatte 2015 rund 300 Geburten mehr als noch 2011. In dieser Statistik werden nur Kinder geführt, deren Eltern in Ingolstadt gemeldet sind, also keine in der Stadt geborenen Kinder von - zum Beispiel - Eichstätter Eltern; die Stadt braucht diese Daten für die Infrastrukturplanung. In den Landkreisen Pfaffenhofen und Eichstätt verzeichnete die Statistik eine Steigerung um rund 200 Geburten, im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen waren es Schels zufolge immerhin 100 Neugeborene mehr.

Der zweite Faktor bei der Bevölkerungsentwicklung ist der Wanderungssaldo, also die Differenz aus den Zuzügen minus die Wegzüge. Hier ist Statistiker Schels einem interessanten neuen Trend auf die Spur gekommen: Die Stadt und die drei Nachbarlandkreise legen - wie schon seit vielen Jahren - auch bei den Neubürgern kräftig zu (Schels: "Das zeigt, dass es der Region sehr gut geht"), der Anteil Ingolstadts an diesem Wachstum ist zwischen 2011 und 2015 jedoch deutlich gesunken: von 35 Prozent auf rund 20 Prozent. Die Großstadt verliert also an Strahlkraft, der sogenannte ländliche Raum und die Kreisstädte gewinnen an Attraktivität. "Das Bevölkerungswachstum hat sich seit 2011 zunehmend in die Landkreise der Region verlagert", sagt Schels. Er hat in diesem Wandlungsprozess eine neue, aufschlussreiche Differenzierung festgestellt: In der Stadt Ingolstadt haben sich zwischen 2011 und 2015 überwiegend Personen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren angesiedelt, die meist keine Kinder haben. Aber bei der Zuwanderung in die Landkreise "dominierte die Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen zusammen mit den Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren" - die Familien also. Sie zieht es (zumindest im Raum Ingolstadt) wieder mehr aufs Land.

Schels zieht daraus diesen Schluss: "Bei der Familiengründung oder wenn bereits Familie mit Kindern vorhanden ist, wird der ländliche Raum mit seinen günstigeren Bauland- und Immobilienpreisen angesteuert." Der Statistiker bezeichnet diese Entwicklung als Suburbanisierung. Sie nehme in der Region erkennbar zu.