Ingolstadt
Es werde Licht

Diese Schanz ist eine Schau: Markus Jordans Stadtmodell im Schlosshof beeindruckt die Betrachter

29.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:15 Uhr
Markus Jordans Stadtmodell im Schlosshof. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Wenn die Sonne versinkt, beginnt im Schlosshof ein spektakuläres Werk zu schimmern: Markus Jordans Ansicht von Ingolstadt im 16. Jahrhundert: 700 Gebäude im Maßstab 1:40, konstruiert mit fluoreszierenden Kunststoffstäben – für den Lichtkünstler ein Kraftakt in mehrerlei Hinsicht.

Das Pfarrhaus von St. Moritz steht mal wieder da, wo es nicht hingehört. Irgendjemand hat es einfach gepackt und drei Meter weiter Richtung Augustinerkirche versetzt. Markus Jordan kennt das schon. „Da erlauben sich einige gern einen Scherz.“ Mit diesen Worten schreitet er vom Neuen Schloss her via Herzogskasten durch das erhaben schimmernde Stadtensemble, packt das Pfarrhaus und stellt es an den angestammten Platz zurück – dort also, wo es im 19. Jahrhundert ein Teil des Rathauses geworden ist. Jordan, ein namhafter Künstler, der vor allem mit seinen Lichtinstallationen viel Aufsehen erregt, muss immer wieder Gebäudemodelle zurechtrücken, denn sein Werk im Schlosshof ist begehbar und bis zum Abend frei zugänglich. Wegen der Dimension – 40 Meter Durchmesser, 700 Modelle im Maßstab 1:40 – ist der Künstler daher oft gut unterwegs.

Aber das gern, obwohl es anstrengend sein kann, das Stadtmodell zu betreuen. „Die Reaktionen der Besucher entschädigen für vieles“, sagt Jordan. Die sind immer beeindruckt, vor allem dann, wenn sie zur richtigen Zeit kommen, und die vielen hundert fluoreszierenden Plexiglasstäbe im Schein der zehn Schwarzlichtstrahler ihre volle Wirkung entfalten. Ein Häusermeer mit klaren Kanten und markanten Kirchtürmen, dazu lang versunkene und vergessene Bauten – so wie sie der Straubinger Schreinermeister Jakob Sandtner gesehen hat, als er um 1570 im Auftrag des bayerischen Herzogs ein detailgetreues Holzmodell der Stadt Ingolstadt anfertigte, das Vorbild der Installation Jordans.

Meistens gelingt eine Überraschung, denn viele Spaziergänger rechnen nicht mit dieser Attraktion im Schlosshof, der erst seit wenigen Jahren ab und an mit Leben erfüllt wird. Umso länger verweilen sie am Rande der alten Schanz und versuchen, sich zu orientieren. „Ich wollte erst ein Tableau mit Erläuterungen zu den Gebäuden anbringen“, erzählt Jordan. „Ich habe aber dann bewusst darauf verzichtet, weil ich im Klenzepark, wo mein Stadtmodell auch schon mal zu sehen war, die Erfahrung gemacht habe, dass die Leute ohne Informationen besser untereinander ins Gespräch kommen.“ Orientierungshilfen sind freilich nötig. „Man sollte etwa wissen, dass das weiße Band, das sich durch die Straßen zieht, keine Stadtmauer ist und auch nicht die Donau, sondern die Schutter, also der große Stadtbach, der früher das Bild der Schanz geprägt hat.“

Die bekanntesten Bauten wie das Münster, das Kreuztor, das Neue Schloss, der Pfeifturm oder die Moritzkirche sind leicht zu identifizieren. Dagegen erfordert etwa die 1945 von Bomben zerstörte Augustinerkirche (an ihrer Stelle steht heute der Viktualienmarkt) gewisse lokalhistorische Kenntnisse.

Aber das Kunstwerk vermag eben auch zu wirken, wenn man ihm ohne Fachwissen gegenübertritt. Ein Glanzlicht in der Dunkelheit. Und das Ergebnis harter Arbeit. Zehn Wochen hat Markus Jordan zusammen mit fast einem Dutzend Helfer gebraucht, um die Gebäude mit Plexiglasstäben detailgetreu zu konstruieren. Daher traf es den Künstler besonders hart, als die Ausläufer des Orkans Xaver Anfang Dezember im Stadtmodell eine Schneise der Verwüstung hinterließen. „Da ist kein Haus mehr an seinem Platz gestanden, und die großen Gebäude sind alle umgefallen.“ Münster, Moritzkirche, sogar das Schloss – weggepustet von Xaver.

Doch damit nicht genug des Unheils. „Schlimmer noch als Xaver haben zwei 15-jährige Schülerinnen gewütet“, erzählt Jordan. „Die haben eine Menge zerstört.“ Zum Beispiel zerlegten sie in einem unbeobachteten Moment die halbe Ludwigstraße. Die Trümmer der Häuser lagern seither im Zeughaus des Schlosses. Jordan hatte noch keine Zeit, die Stäbe wieder neu zusammenzufügen. Zumindest sind die Vandalinnen identifiziert worden, besser gesagt: Die Schülerinnen haben das selber erledigt, denn sie waren derart unbedacht-kooperativ, dass sie sich bei der Sachbeschädigung tatsächlich selbst filmten – und das Video dann auch noch ins Internet stellten.

Jordan will die Sache außergerichtlich klären. „Ich habe den beiden angeboten, mir bei der Rekonstruktion der Gebäude zu helfen, damit sie mal sehen, wie viel Arbeit das eigentlich alles macht.“ Der Künstler weiß um die Risiken, denen Kunst im öffentlichen Raum ausgesetzt ist. Dass Besucher auch mal durch sein Werk spazieren, sieht er indes gelassen, so lange alles heil bleibt. Das Stadtmodell ist bis 6. Januar zu sehen. Ab 17 Uhr entfaltet es seinen ganzen Reiz.