Ingolstadt
Erste Servier-Versuche

Benachteiligte Jugendliche lernen im Café Vergissmeinnicht bei Audi den Berufsalltag kennen

12.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:33 Uhr

Häppchen für die Gäste: Tamara Ertl (vorne links), Lena Eigner (vorne Mitte), Lewis Hammer (hinten Mitte) und René Wackenreuter (vorne rechts) lernen im Café Vergissmeinnicht den Berufsalltag kennen. Audi-Personalvorstand Thomas Sigi (Zweiter von links) und das Ehepaar Bernadotte (rechts) haben das Projekt gemeinsam initiiert - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Adeliger Besuch bei Audi: Sandra Gräfin Bernadotte eröffnete gestern Vormittag gemeinsam mit Personalvorstand Thomas Sigi das Café Vergissmeinnicht auf dem Gelände der Technischen Entwicklung, in dem benachteiligte Jugendliche den Berufsalltag kennenlernen können.

Das kleine, gemütlich eingerichtete Café mit den blauen Vergissmeinnicht-Blüten an den Wänden erlebte gleich am ersten Tag ein volles Haus. Kamerateams und Fotografen drängten sich um die Theke, auf der frische Wraps, mit Früchten und Joghurt gefüllte Einweckgläser, belegte Semmeln und eine große Torte auf Abnehmer warteten. Im Mittelpunkt standen gestern Tamara Ertl, Lena Eigner, Lewis Hammer und René Wackenreuter, die nun im Rahmen ihrer Ausbildung zum Verkäufer – die über das Berufsbildungswerk St. Franziskus in Abensberg läuft – im Cafébetrieb mitarbeiten.

Sie sind benachteiligte Jugendliche, die hier Hand in Hand mit Mitarbeitern der Audi-Gastronomie gefördert werden und sich individuell entwickeln können. Der Name des Cafés Vergissmeinnicht ist auf dieses Konzept abgestimmt: „Menschen, die einen speziellen Förderbedarf haben, dürfen wir nicht vergessen“, erklärte Bernadotte. „Sie lernen hier in geschütztem Rahmen die Realität und den Umgang mit Kunden kennen.“

Die Sozialpädagogin und Schirmherrin des Projekts hat – mithilfe ihres Mannes Björn Graf Bernadotte und ihres gemeinnützigen Vereins „Gärtnern für Alle“ – 2010 selbst ein mittlerweile gut laufendes Café Vergissmeinnicht auf der Insel Mainau im Bodensee eröffnet. „Mein Baby“, nennt sie es und konnte so auch glaubhaft versichern, ihre Rede zur Eröffnung in Ingolstadt 17-mal umgeschrieben zu haben, weil ihr das Café so sehr am Herzen liege. „Die Idee auf Mainau war anfangs sehr klein“, erzählte Bernadotte gegenüber dem DK. „Dass sich das zu so einem Erfolg entwickelt hat, dass wir auch bei Audi ein Café eröffnen konnten – eine größere Freude kann es nicht geben.“

Unterstützung fand sie dabei in Thomas Sigi, der selbst vom Bodensee stammt und den die Idee hinter dem Café Vergissmeinnicht auf Mainau überzeugt hat – „und zwar nicht nur, weil es dort unglaublich guten Kuchen“ gebe und der gesamte Erlös in gemeinnützige Projekte fließe. „Das Café ist ein soziales Sprungbrett für Jugendliche aus der Region“, sagte der Audi-Vorstand gestern. „Deshalb waren wir so mutig, das auch bei uns zu realisieren.“ Nach eineinhalb Jahren Vorbereitung könnten hier nun dauerhaft vier Jugendliche auf ihren ersten Schritten ins Berufsleben begleitet werden. „Wenn wir sie dann auch noch in einen Beruf vermitteln können, ist das wirklich ein tolles Projekt.“

Nachhaltig ist das Angebot im Café außerdem: „Mit einer breiten Auswahl an Bio-Produkten“ soll laut Sigi die regionale Landwirtschaft unterstützt werden – sichtbar zum Beispiel an einem kleinen Markstand am Eingang, in dem Äpfel und Birnen vom Canisiushof Theißing ausliegen. „Die sind nirgendwo sonst im Werk zu finden, sondern nur hier“, verkündete der Audi-Vorstand.

Die Jugendlichen freuen sich über die Chance, die sie durch ihren besonderen Förderbedarf anderswo vielleicht nicht erhalten würden. „Ich will viele Erfahrungen mit Kollegen und Kunden sammeln“, sagte Lewis Hammer, als die vier Berufsanfänger ganz in der Tradition des Cafés Vergissmeinnicht eine weiße Rose in eine Vase steckten und ihre Erwartungen an die kommenden Monate mitteilten. Dem DK verriet der 19-Jährige seinen Traum, später einmal in einem großen Restaurant zu arbeiten. „Deshalb will ich hier Fähigkeiten lernen, die ich draußen brauchen kann“, sagte er und setzte zum ersten Mal die Maschine in Gang, um einen Kaffee zuzubereiten.