Ingolstadt
Ernüchterung nach dem Finale dahoam

20.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:28 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Es hätte alles so schön sein können. Doch wie im ganzen Land bleiben vor den Fernsehern und Großleinwänden in Ingolstadt nur geschockte Bayernfans zurück. Tausende litten bei Privatpartys, in Biergärten, dem Westpark oder auch beim Festival „Dance im Park“ mit.

Da saß er also weit nach Mitternacht, der Robben, völlig frustriert im Schatten eines Lastwagens im Ingolstädter Gewerbegebiet. Neben ihm auf der Bordsteinkante ein anonymer Mitspieler. Zumindest trug er keinen Namen auf dem Rücken wie eben die Nummer 10, dieser Robben. Den sicherlich entscheidenden Elfmeter in der Verlängerung hatte er verballert. So endete die Nacht für ihn also auf dem Hosenboden in der Bruhnstraße. Doch man hätte ihn auch hundertfach dort finden können, wo Ingolstädter beim Finale mitfieberten und ihre rot-weißen Trikots herausholten. Im Robben-Dress steckte natürlich auch nur ein normaler Bayernfan, der das unvollstellbare Drama des Spiels erst einmal verarbeiten musste.

Knapp 1000 mögen es gewesen sein, die sich das Spiel in einem Zirkuszelt beim Sportpark des FC anschauten. Als Kulisse diente das hämmernde Wummern aus den Boxen draußen, da neben dem Spiel auch das Musikfestival bereits lief. „Bumm, bumm, bumm“ sollte der Soundtrack des Abends sein. Nur eben nicht auf dem Platz in München. Im Zelt rauften sich in erster Reihe die Jungs vom Fanclub Jurapower Wachenzell die Haare über unzählige ausgelassene Chancen und Elfmeter. Um sich dann freudetrunken um 22.14 Uhr beim 1:0 in den Armen zu liegen. Doch Robbens Elfertragödie und das gesamte Elferdrama ließen sie innerhalb von Minuten in ein Trauma stürzen. Schluss, aus, vorbei. Chelsea siegt. „Oh Mann, hey“, rief einer und pfefferte einen Becher durch das Zelt. Wie ein Schwarm Fliegen, die sich verdrücken, wenn das Licht angeht, flohen alle vom Ort des Schreckens. Raus an die Luft, in eine Nacht zum Vergessen.

Es hatte nicht sein sollen. Irgendetwas war mit diesem 19. Mai verkehrt. Im Klitzekleinen merken das schon die beiden Musiker Claus Lessmann und Hans Ziller von Bonfire, als sie wenigen Minuten vor Anpfiff im Beachklub des Freizeitbades Wonnemar in Aktion treten. Hinter ihnen flimmern auf der Großleinwand die Bilder aus München. Lessmann und Ziller sitzen mit zunächst streikenden Gitarren auf Barhockern und wollen ein bisschen Stadionatmosphäre transportieren. Denn der Bonfire-Sänger hat die Bayernhymne „Stern des Südens“ eingesungen, die nach wie vor ein Arenaohrwurm ist. „Ich habe extra einen Termin bei einem Fanklub in München abgesagt, um hier zu sein“, sagt Lessmann, selbst glühender Bayernfan und im Trikot unterwegs.

Für Kompagnon Ziller wäre das nichts, er ist eingefleischter Sechzger, aber bei der „Bayernhymne“ textsicher, wie sich zeigt. Die knapp 200 Gäste klatschen und summen mit. Zwischen Badekleidung und Kickerdressen kommt tatsächlich Stimmung auf. Doch dann mag die Tonübertragung aus dem Stadion nicht funktionieren. Einige ziehen frustriert ab, ihre Plätze besetzen aber liebend gerne andere. Mit dem Radioton stellt sich wenig später auch hier der Finalcharakter wirklich ein.

Im Zirkuszelt kochte da die Stimmung längst. Sie wollten aus voller Kehle ein „Stern des Südens“ anstimmen. Doch aus ihrem Verein ist in dieser Nacht nur die „Sternschnuppe des Südens“ geworden. Die Jurapower-Jungs praktizierten die Frustbewältigung am Bierstand des Festivals. Auch unter ihnen war ein Robben. Und ein Schweinsteiger. Man sieht sich am nächsten Bürgersteig.