Ingolstadt
Er wandert ein

46-jähriger Ingolstädter mit jetzt 19 Vorstrafen wird erneut wegen Volksverhetzung verurteilt und muss nun ins Gefängnis

02.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:42 Uhr

Ingolstadt (DK) Wie sich die Einstellung doch plötzlich ändern kann, von einem Tag auf den anderen. So zu erleben auch wieder bei einem 46-jährigen Ingolstädter, der irgendwann auf dem Weg zu einer Stütze der Gesellschaft falsch rechts abgebogen war. Deshalb fand sich der Mann auch wegen seiner zweifelhaften Gesinnung zum wiederholten Mal auf der Anklagebank eines Gerichts wieder, wo er sich bestens auskennt. Er hat nun schon unfassbare 19 Vorstrafen angesammelt. Die letzte wegen erneuter Volksverhetzung wurde gestern am Landgericht rechtskräftig, als er sich durchrang, die Berufung gegen einen Schuldspruch des Ingolstädter Landgerichts zurückzunehmen.

Dazu hatte ihm der Vorsitzende Richter Konrad Riedel mehr als deutlich geraten. Da hatte es auch nichts geholfen, dass sich der 46-Jährige anders als in erster Instanz als absolut reumütig präsentierte. Plötzlich waren von ihm Worte wie "Es tut mir leid", "ein riesiger Fehler", "Ich schreibe Sachen, da denke ich nicht darüber nach" zu hören. In erster Instanz hatte er dagegen noch völlig uneinsichtig getönt: Wie er über Facebook öffentlich auf einem Ingolstädter Nachrichtenportal die Polizeimeldung über die angebliche Vergewaltigung einer Frau in Eichstätt durch einen Asylbewerber kommentierte, sei nun mal seine Meinung. Damals gab der Wiederholungstäter erneut seine Gesinnung zum Besten, als er sich unter anderem mit dem Satz "Die Endlösung ist das Einzige, was Deutschland retten kann" verewigte.

Damit hatte er nach Überzeugung der Ingolstädter Staatsanwaltschaft nicht nur die Opfer des Holocaust verhöhnt, sondern auch zum Mord an Asylbewerbern aufgerufen, was die Anklagebehörde als Volksverhetzung verfolgte. Was im Nazijargon mit der "Endlösung" gemeint ist, das wusste der Ingolstädter natürlich. Er ist ja schon einschlägig vorbestraft. Denn bereits im Jahr 2014 war er zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Damals hatte er sich ebenfalls über Facebook für alle Welt lesbar zu einem stadtbekannten Männerpärchen aus dem Ingolstädter Geschäftsleben geäußert: Wenn er etwas zu sagen hätte, würde er die beiden "nach Dachau" ins Konzentrationslager schicken.

Doch diese Verurteilung beeindruckte den Mann letztlich überhaupt nicht. Denn er stand noch unter offener Bewährung, als er sich im August 2016 zu dem Eichstätter Fall äußerte. Das wusste er auch genau. "Und wissen Sie auch, was Sie damals in dem Verfahren 2014 gesagt haben", fragte Richter Riedel rhetorisch, denn der Angeklagte wusste es natürlich. Riedel trug aus dem Protokoll die Beteuerung des 46-Jährigen vor: Es sei ein Fehler gewesen, tue ihm leid - und vor allem: Es komme nie wieder vor.

Keine zwei Jahre später kam schon der Rückfall, in offener Bewährung dazu. "Also ich weiß nicht, welche besonderen Umstände für Sie sprechen sollen", leitete Riedel ein, wieso sich der Angeklagte überhaupt keine Hoffnung auf eine weitere Bewährungschance zu machen brauche. Der 46-Jährige, der lange ohne Job war, arbeitet seit April 2016 zwar bei einem Automobilzulieferer im GVZ, und sein zweites Kind mit seiner Lebensgefährtin, die nach seinen eigenen Angaben von Hartz IV lebt, kam vor 14 Tagen zu Welt. "Aber Sie haben ja schon gearbeitet und hatten auch ein Kind, als Sie das jetzt wieder geschrieben haben. Und dennoch hat es Sie nicht abgehalten", sagte Riedel - und zudem alles in offener Bewährung. Die geforderten "besonderen Umstände" für Bewährung sah er nicht.

Riedel regte wiederholt an, der Mann aus dem rechten Spektrum solle die Berufung zurücknehmen. Das Urteil des Amtsgerichts von fünf Monaten Gefängnis sei durchaus milde. Der Verurteilte sei "gut bedient". Riedel sagte klar: "Besser wird es hier nicht mehr, es wird für Sie eher schlechter" - was durchaus im Raum stand, da auch die Staatsanwaltschaft ihrerseits Berufung eingelegt hatte.

Letztlich nahm der vielfach Vorbestrafte die Berufung zurück, was für ihn auch bedeutet: Er wandert ins Gefängnis ein und muss die fünf Monate absitzen. Das dürfte ebenso für die weiteren acht Monate gelten, die ihm sehr wahrscheinlich blühen, wie ihm die Bewährung widerrufen werden dürfte. Als Vorschlag gab ihm Richter Riedel (ohne jeglichen Anflug von Sarkasmus) noch mit auf den Weg: "Wenn Sie es nicht schaffen, auf Facebook zu schreiben, ohne diese Kommentare, dann lassen Sie es doch ganz."