Ingolstadt
"Eine extrem schwierige Reise"

14.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:11 Uhr

Anwalt, Patron, Schirmherr: Als Ministerpräsident ist Horst Seehofer (2. v. l.) all das für Christa Matschl, Vorsitzende der CSU-Arbeitsgruppe Vertriebenenpolitik, Bernd Posselt, Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe, und Stefan Mlynarzek aus dem Vorstand der Banater Schwaben (v. l.). - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Bei der Landesversammlung der Union der Vertriebenen und Aussiedler in der CSU sagte Ministerpräsident Horst Seehofer in Ingolstadt seine volle Unterstützung zu. Die Feuerprobe steht in einigen Wochen bei der Reise nach Prag an, zu der die sudetendeutsche Landsmannschaft mitkommt.

Der Ministerpräsident muss sich wie der Hase fühlen: Wo immer er hinkommt, der Igel beziehungsweise die Journalisten sind bereits da. So auch am Samstag vor der Volkshochschule: Als Horst Seehofer aussteigt, bügelt er mit einer Handbewegung gleich die Anfrage des Fernsehteams ab; zu Guido Westerwelle möchte er jetzt nichts sagen.

Oben im Rudolf-Koller-Saal der VHS tut er es vor den Zuhörern aus der UdV dann doch. Aber zuerst kommt Bernd Posselt zu seinem Recht. Der Europaabgeordnete der CSU ist seit 13 Jahren der UdV-Vorsitzende und Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe. Die erste UdV-Landesversammlung seit Seehofers Amtsantritt halte er gerne in dessen Heimat ab, sagt Posselt. "Denn wir haben in ihm einen energischen Anwalt."

Die härteste Probe steht in einigen Wochen an, wenn der Gerolfinger mit einer Delegation die dann frisch gewählte tschechische Führung in Prag besucht. "Wir machen das in enger Abstimmung mit der sudetendeutschen Landsmannschaft", verspricht der Ministerpräsident. "Das wird eine extrem schwierige Reise. Wir werden ein neues Kapitel in Bayern aufschlagen."

Hasskampagne

Posselt und die anderen Zuhörer jubeln ob dieser Zusagen. Der Vorsitzende gibt die Taktik vor: "Wir können nur etwas erreichen mit Härte in der Sache und Flexibilität in den Mitteln." Posselt zählt die Erfolge auf: Im Baltikum gebe es das verbriefte "Recht auf Heimat". Wer will, kann zurückkehren. "Das kann jeder machen, wie er will", lobt Posselt. In Ungarn dürfte ein Regierungswechsel bald mehr Verständnis für die Belange der Vertriebenen bringen.

Anders in Polen. "Da haben wir in einigen Teilen inzwischen zwar zweisprachige Ortstafeln", lobt Posselt. Aber inakzeptabel seien weiter "die nationalistischen Töne, die uns nach wie vor entgegenschlagen". Den Streit um Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach und ihren Sitz im Stiftungsrat des Vertriebenenzentrums nennt er "eine frauenfeindliche Hasskampagne". Aber nicht nur in Osteuropa. "Es ging nie um Personen wie sie. Es ist mehr eine latente, aggressive Vertriebenenfeindlichkeit in Teilen des deutschen Establishment zu sehen", wettert Posselt. Dennoch habe es beim Thema Vertriebenenzentrum "so eine Solidarität in der Bevölkerung seit Jahrzehnten nicht gegeben".

Für Horst Seehofer ist die UdV "ein ganz starker Arm der CSU". Deshalb erklärt er den Mitgliedern gerne die Lage der Nation und kommt auf Westerwelle zu sprechen. "Ich will diese christlich-liberale Regierung in Berlin. Aber sie muss mehr Tempo und mehr konkrete Lösungen bringen. Und wir werden unsere Überzeugungen nicht an der Garderobe abgeben." Das sei er allen schuldig, die Bayern und seine Heimatstadt nach dem Krieg mit aufgebaut hätten. "An diesem Weg haben die Vertriebenen großen Anteil. Ich bedanke mich dafür. Das ist ein leuchtendes Beispiel."

Das greift auch OB Alfred Lehmann in seinem Grußwort auf. Ingolstadt wuchs nach dem Krieg von 40 000 auf fast 125 000 Einwohner. "In dieser Stadt haben viele Vertriebene eine neue Heimat gefunden. Dieser Aufstieg wäre ohne sie nicht möglich gewesen." Dass viele von ihnen am kürzlich abgerissenen Nordbahnhof angekommen sind, das sagt Lehmann an diesem Tag allerdings nicht. Dafür wird der Rathauschef, Jahrgang 1950, persönlich: Seine Mutter stamme aus Schlesien, der Vater aus Frankfurt/Oder. "Ich kenne die Situation aus eigener Erfahrung."

Kreisverband in Gründung

Entsprechend würden in Ingolstadt auch Spätaussiedler mit offenen Armen empfangen. Die Integration klappe vorbildlich, lobt Arthur Bechert in der Diskussionsrunde nach den Reden. Der Regensburger ist Landeschef der Wolga-Deutschen. Er hat aber einen Makel ausgemacht: Er bedauere es sehr, dass in Ingolstadt der neu formierte Migrationsbeirat nun für die Aussiedler zuständig ist. "Wir sind Deutsche und wollen auch so behandelt werden." Seehofer stimmt ihm zu. "Wir brauchen eine eigene Strategie für die Integration von Ausländern und Aussiedlern."

Der Ruf nach einer Vertretung in der Ingolstädter CSU ist so groß geworden, dass am 15. Mai ein UdV-Kreisverband gegründet wird. "Das Verlangen der Menschen ist da", sagt Stefan Mlynarzek. Der Ingolstädter sitzt im Landesvorstand der Banater Schwaben und wird der Führungsmannschaft des neuen Gremiums angehören. Vielleicht kommt Horst Seehofer bei der Gründungsversammlung vorbei. Dann geht das Hase-Igel-Rennen weiter.