Ingolstadt
Eine Kultur des Miteinander

Shared Space: Städtebau-Experten sprechen über moderne Verkehrskonzepte in Innenstädten

30.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:42 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Wem gehört die Stadt? Den Bürgern. Doch viele zentrale Plätze sind heute vom Verkehr zerschnitten. Inzwischen setzen Städteplaner daher auf sogenannten Shared Space, geteilten Raum. Im Konferenzsaal des Stadttheaters stellten jetzt Experten gelungene Modelle vor – als Vorbilder für Ingolstadt.

Was passieren kann, wenn Städteplaner die Dominanz eines Verkehrsmittels mit Bedacht brechen und alle Verkehrsteilnehmer mehr oder weniger gleichberechtigt sind, das zeigte der gut besuchte Informationsabend des städtischen Planungsreferats im Konferenzsaal des Stadttheaters.

Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle hatte die Veranstaltung organisiert, um alle auf einen Wissensstand zu bringen, bevor die konkrete Planung beginnt. Die Stadt überlegt nämlich, die Rossmühlstraße von der Technischen Hochschule bis zur Kreuzung mit der Schlosslände zum Shared Space umzugestalten. Denn wenn dort einmal das Museum für Konkrete Kunst, Kongresszentrum und -hotel gebaut sind, werden noch viel mehr Menschen die Straße überqueren, um in die Altstadt und wieder zurückzulaufen. Das dürfte nicht ungefährlich werden, denn rund 17 000 Fahrzeuge nutzen heute pro Tag die Straße.

Shared Space hat sich in den vergangenen Jahren von den Niederlanden ausgehend entwickelt. „Das Leitbild ist aber uralt“, erklärte Wilko Manz, Geschäftsführer des Planungsbüros Inovaplan. „Früher war das gang und gäbe, dass man auf dem Boulevard flaniert.“ Die Trennung sei später gekommen, vor allem mit dem Aufkommen des Autos, das deutlich schneller war als die anderen Verkehrsteilnehmer – der Sicherheitsgedanke war auf einmal wichtiger als das Miteinander.

Auch in Deutschland mehren sich die Beispiele: Es gibt immer mehr verkehrsberuhigte Geschäftsstraßen, Spielstraßen und schmale Straßen, die automatisch zum Langsamfahren verleiten. „Es gibt eine große Freiheit, was man tun kann“, sagte Manz. „Aber auch eine große Unsicherheit, wie es wirkt.“ Einiges sei bei allen gleich: Die Bereiche dürften nicht zu groß sein, sie müssten gut einsehbar sein, die Anwohner sollten mit einbezogen werden, und die Maßnahmen sollten vorher und nachher evaluiert werden. Und sie müssten zum jeweiligen Ort passen.

„Auf unseren Gemeinschaftsplätzen ist eine Kultur des Miteinander entstanden“, sagte Ekkehard John, der Stadtentwickler Duisburgs, der sechs Shared-Space-Konzepte umgesetzt hat. Vorher habe es durchaus Skepsis gegeben – „Duisburg ist eine Stadt, in der sehr viel Auto gefahren wird“ –, aber danach seien alle zufrieden gewesen. „Auf sämtlichen Straßen gab es auch einen deutlichen Rückgang des Autoverkehrs“, erklärte John. Und nicht mehr Unfälle.

Architekt Jochen Baur vom Büro SEP aus München, der in Fürstenfeldbruck und Rosenheim Konzepte umgesetzt hat, sagte, Shared Space sei für ihn „der gebaute Paragraf eins der Straßenverkehrsordnung“. Denn der besage ja, dass jeder Verkehrsteilnehmer auf den anderen Rücksicht nehmen müsse. Allerdings müsse der schwächste Teilnehmer, der Fußgänger, sich auch manchmal sein Recht nehmen: „Das lebt davon, dass er in dem Bereich selbstbewusst läuft, damit der Autofahrer merkt: Da ist Schritttempo.“

Ein Ergebnis brachte der Abend, an dem sich auch die Bürger rege beteiligten, nicht, aber durchaus einige Erkenntnisse. Stadtbaurätin Preßlein Lehle erklärte: „Das ist die Hausaufgabe für Ingolstadt: Zu klären, sind es besondere Räume, wo wir es einsetzen wollen“