Ingolstadt
Eine Frage des Stils

An der Ansiedelung des Textilriesen Primark in der Innenstadt scheiden sich die Geister

04.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

Bunt und ethisch unbedenklich: Diana Wirth (M.) verkauft in ihrer Boutique »lieblingstyle« nur fair gehandelte Ware. Das schätzen auch ihre Kunden, hier Julia Krech (l.) und Manuel Hönig. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Der riesige Modediscounter Primark zieht in die City-Arcaden – das steht fest, die Meinungen darüber gehen deutlich auseinander. Nicht nur im Internet, sondern auch überall in der Stadt wird diskutiert. Der DK hat sich bei Befürwortern und Gegnern umgehört.

Die Sonne scheint, die Ingolstädter sind in ihrer Mittagspause in der Stadt unterwegs, bummeln durch Läden, die mit offenen Türen und Sonderangebotsschildern locken. Bald auch Primark. Wenn es darum geht, trübt sich in Ingolstadt bei manchen Bürgern die Frühlingsstimmung. „Es ist halt wieder eine von diesen Billigmarken“, sagt Anne Schneider. Sie isst mit ihrer Mutter Stefanie Schneider und ihrer kleinen Tochter in nächster Nähe zu den künftigen Primark-Schaufenstern an der Ludwigstraße. „Ich würde mir viel mehr kleine, hochwertige Geschäfte wünschen, keine Ketten“, bekundet Stefanie Schneider. Doch für diese Läden seien die Pachtpreise wohl zu hoch. „Die Stadt war zwischendurch sehr ausgestorben, aber es wird wieder schöner. Am Paradeplatz, und um das Münster herum“, sagt Anne Schneider. Sie würde gerne noch mehr Fair Trade einkaufen, doch: „Man muss es sich erst einmal leisten können.“ Deswegen stöbere sie auch gerne im Secondhand-Laden. Der Mode von Primark, dem Unternehmen, das es geschafft hat, äußerst günstige Kleidung mit einer Art Designerimage zu verkaufen, würden halt vor allem junge Leute hinterherlaufen.

Auf der Fassade der City-Arcaden leuchten knallbunte Bilder von Modefiguren. „Ach ja, hier kommt Primark hin“, sagt ein Mann zu seiner Freundin im Vorbeigehen. Sie trägt eine C&A-Tüte. Er H&M. Der schwedischen Konkurrenz lehrt Primark mit Umsatzwachstum im zweistelligen Prozentbereich das Fürchten. Passanten bleiben stehen, werfen einen Blick auf den vermeintlich baldigen Hauptanziehungspunkt der Stadt, der auf 5000 Quadratmetern einziehen will – so viel wie die halbe Westparkerweiterung. Ein Magnet – so sehen das Jasmin Turger und Gina Heigl. Beide 17. „Geld sparen“, ist ihr Hauptargument für den Textilriesen – schließlich hat man davon mit 17 nicht übermäßig viel. Sie tragen farbige Hosen, modische Schals und enge Tops unter den offenen Jacken. „Jeans für sieben Euro“, schwärmt Jasmin Turger. Sie war schon bei Primark in Köln. Es sei günstig und voll da. „Die Qualität finde ich überhaupt nicht schlecht. Wie bei H&M.“ Die beiden freuen sich auf mehr Einkaufsmöglichkeiten in der Stadt.

Auch Alina Bösl und Nadine Dietrich wollen zu Primark – allerdings nur, um Schlafanzüge und Unterwäsche zu kaufen, wie sie betonen. Der Rest sei ihnen dann doch zu billig produziert (wie bei vielen anderen Textilketten in Bangladesch). Die beiden Frauen sind 20. „Aber es ist gut, dass was Großes aufmacht, das belebt die Innenstadt“, sagt Nadine Dietrich.

Ähnlich sieht das Hans Golling (66). Er sitzt auf einer Bank vor den City-Arcaden in der Sonne. Stören würde ihn Primark nicht, in München gebe es auch „Billiggeschäfte“ in der Fußgängerzone. „Es ist für jeden etwas dabei – außerdem, bei der Miete geht es oft nicht anders.“ Doch er versteht auch die Gegenseite, die einen niveauvollen Charakter zu bewahren versucht, statt einer „Ramschfußgängerzone“. Nur: Ein Leerstand sei immer schlecht. Und Qualität und Produktionsbedingungen müsste man bei jedem Produkt hinterfragen, nicht nur bei Primark. „Es gibt Einkommen, da kann man sich nur leisten, was billig ist.“

Im Fair-Trade-Modeladen von Diana Wirth am Rande der Fußgängerzone dreht Julia Krech (32) ein rotes Kleid in den Händen. Es ist teurer als in anderen Geschäften, keine Frage. Doch: „Ich weiß, es sind nachhaltige Naturstoffe, und der Tragekomfort ist ein anderer.“ Außerdem habe eh jeder einen vollen Kleiderschrank, und es gehe darum, Einzelstücke zu finden, fügt Kunde Manuel Hönig (39) hinzu. „Stücke, die man woanders nicht kriegt, und keine Massenware.“ Primark sehen beide kritisch – vor allem wegen des sozialen Aspekts. Julia Krech bemängelt: „Es geht schon lange nicht mehr darum, was man braucht oder nicht braucht.“