Ingolstadt
Ein Szene-Wirt und seine große Leidenschaft

Der Café-Betreiber Alessandro Montuori sammelt seit seiner Jugend historische Fahrräder

29.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:14 Uhr

Jedes erzählt eine Geschichte: Alessandro Montuori bei seinen Fahrrädern in einem Kellergewölbe in der Altstadt. Wenn alles hergerichtet ist, sollen hier insgesamt 200 nostalgische Drahtesel untergestellt werden. - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Das Szene-Café Corso Italia in der Fußgängerzone ist den meisten bekannt als Treffpunkt für Liebhaber der italienischen Lebensart. Auch ist nicht zu übersehen, wenn sich dort die Besitzer sportlicher schneller Autos zum Cappuccino verabreden. Ein Blick auf die umliegenden Parkplätze genügt.

Wer hätte da vermutet, dass ausgerechnet der Wirt des Cafés schon seit Jahrzehnten eine Leidenschaft pflegt, die so ganz und gar nicht in dieses Bild zu passen scheint? Alessandro Montuori oder kurz Sandro, wie ihn Freunde und Stammgäste nennen, schaut privat nicht gerne unter Motorhauben, sondern putzt lieber Speichen und ölt Ketten, wenn er sich Zeit nimmt für sein Hobby - das Sammeln und Restaurieren historischer Fahrräder. Wie es dazu kam, das ist eine Geschichte für sich.

"Ich war 14 Jahre alt, als mein Vater in Palinuro in Süditalien ein Haus gebaut hat", beginnt Sandro. Der Architekt stammte aus Mailand. Irgendwann lud er die Familie zu sich ein. "Der Mann hatte in seinem Wohnzimmer ein wunderschönes historisches Fahrrad stehen", erinnert sich der Gastronom. Sein damaliger Wunsch an den Vater: "Ich will so ein Rad in meinem Zimmer." Der Papa bleibt gelassen. "Wenn du eines findest, warum nicht", antwortet er. Ein paar Wochen später ruft Sandro den Architekten an und fragt, wo er ein solches Velo bekommen kann. Das sei schwierig, erhält er als Antwort. Und außerdem eine teure Anschaffung für einen Jungen seines Alters. Doch der Mann zeigt Verständnis und besorgt Sandro ein ähnliches Fahrrad. Bald darauf steht es in seinem Zimmer.

Heute parkt das Rad in einem alten Kellergewölbe in der Innenstadt. Zusammen mit rund 20 anderen historischen und nostalgischen Drahteseln. Es handelt sich dabei nur um einen Bruchteil der Sammlung. Insgesamt besitzt Sandro rund 200 Stück, wie er sagt. Darunter Exemplare traditioneller Marken wie Atala, NSU, Wanderer, Miele und Peugeot. Sie alle wird er nach und nach in den Keller verfrachten, den er erst kürzlich angemietet hat und noch herrichten will.

Gebaut wurden die meisten dieser Räder zwischen 1920 und 1970. Eines der Prachtexemplare: ein Rennrad des niederländischen Herstellers Gazelle von 1950. "Die zwei schönsten sind von NSU, gebaut in den 1930er- und 1940er-Jahren", ergänzt Sandro. Jedes der Räder erzähle eine Geschichte. "Auch das erste Fahrrad, weil ich mit ihm meine jetzige Frau kennengelernt habe. Als ich 17 war, stand ich damit unter ihrem Balkon. Wie bei ,Romeo und Julia €˜, erzählt Sandro verschmitzt.

Zum Radfahren kommt er heute kaum noch. Dazu fehle die Zeit und die Kondition, räumt er ein. "Ich bin zu sehr auf den Geschmack von Schweinebraten und Schnitzel gekommen", sagt er verschmitzt. Wenn jetzt der Winter kommt, dann wird Sandro manche Nacht wieder bei seinen Rädern verbringen und sie herrichten. "Das ist für mich Entspannung." Ob er noch einen Traum habe? Zwei bis drei historische Fahrräder aus Indien hätte er gern noch in der Sammlung. Und eines, mit dem früher Friseure und Schuhmacher samt ihrem Handwerkszeug unterwegs waren. Allerdings sei die Suche zuletzt schwieriger geworden. "Viele wollen nicht verkaufen", weiß er. So bleibt oft nur der Blick ins Internet. Oder ein Abstecher nach Norddeutschland, wo es einen großen Markt für historische Räder gibt. Früher sei er oft auf Flohmärkte bis nach Prag und in die ehemalige DDR gefahren, erzählt Sandro. Heute fehle dafür die Zeit. Schließlich warten die Gäste auf ihren Cappuccino. Auch die mit den vier Rädern unterm Sitz.