Ingolstadt
Ein Königreich für einen Azubi

In der Region ist bis zu ein Drittel der Lehrstellen frei Fritz Peters kritisiert "Akademisierungswahn"

30.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:22 Uhr

Die Folgen der Akademisierung: Mit einem guten Schulabschluss können sich Schulabgänger ihre Ausbildungsstelle heutzutage aussuchen. Die Firmen beklagen die geringe Zahl und die mangelnde Qualität der Bewerbungen. Auch die Bologna-Reform, die den Bachelor-Abschluss nach meist sechs Semestern brachte, ist vielen Unternehmern ein Dorn im Auge, da den Bewerbern Praxiswissen fehle - Foto: Stephan

Ingolstadt (DK) Einen Tag vor Beginn des Ausbildungsjahrs sind noch immer viele Lehrstellen unbesetzt. In Ingolstadt ein Fünftel, im Landkreis Eichstätt ein Drittel, im Landkreis Pfaffenhofen fast ein Drittel. Als Gründe nennt die IHK stagnierende Schulabgängerzahlen und den Trend zur Akademisierung.

Die Bewerberlücke in Ingolstadt und den umliegenden Landkreisen bleibt groß. Auf der Schanz sind kurz vor Beginn des Ausbildungsjahrs am 1. September noch 329 Lehrstellen frei. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der unbesetzten Stellen zwar um 31 gesunken, da die Ingolstädter Unternehmen in diesem Jahr aber 1516 Lehrlinge einstellen wollten, bleibt vorerst über ein Fünftel der Ausbildungsplätze unbesetzt. Die begehrtesten IHK-Ausbildungsberufe in Ingolstadt sind Mechatroniker, Kaufleute für Büromanagement, Kraftfahrzeugmechatroniker, Fertigungsmechaniker und Einzelhandelskaufleute.

Im Kampf gegen den Fachkräftemangel geht die Ingolstädter Firma Gebrüder Peters neue Wege. Zum 1. September startet das Unternehmen eine eigene Ausbildungs-GmbH und bietet auch anderen Betrieben Ausbildungsdienstleistungen an. "Die Idee ist, Ausbildung auszulagern", erklärt Geschäftsführer Fritz Peters. Die Bewerbungen in seinem Unternehmen gingen schon seit Jahren zurück. Obwohl seine Firma intensives Ausbildungs-Marketing betreibe, Schulen einlade und Praktika anbiete. "Andere Unternehmen bekommen gar keine Bewerbungen mehr", berichtet er.

Den Grund für diese Entwicklung sieht Peters in der Erziehung. "Die Schulabgänger haben völlig falsche Vorstellungen", bedauert er. Alle würden mit dem Abitur an die Universitäten drängen. "Dabei lohnt sich eine Ausbildung finanziell mehr als ein Studium", meint Peters. Auch die Bologna-Reform sieht er kritisch. Einen Meister ziehe er einem Bachelor-Absolventen bei Weitem vor, da die Praxisorientierung an den Unis fehle.

Für zwei Ausbildungsstellen zum Metallbauer habe seine Firma heuer nur 18 Bewerbungen erhalten. Ein Rückgang um zwei Drittel. Die Ausbildung zur Bürokauffrau oder zum Bürokaufmann sei mit 140 Bewerbungen immer noch ziemlich begehrt. Allerdings reichen die schulischen Leistungen oft bei Weitem nicht aus. Für die Ausbildung ist ein Realschulabschluss erforderlich. Trotzdem bewerben sich auch viele, die nicht über diese Qualifikation verfügen. "Keiner will mehr Bäckerei- oder Metzgereifachverkäufer werden", sagt Peters. Dabei gäbe es in diesen Berufen genügend freie Stellen.

"Die Politiker haben ohne Not den Akademisierungswahn gefördert", kritisiert Peters. Nirgendwo sonst gäbe es so ein gutes Ausbildungssystem wie in Deutschland. Er sehe auch keinen finanziellen Unterschied zwischen den Meistern, Technikern und Ingenieuren in seinem Unternehmen. Deshalb müsse man gemeinsam mit den anderen Unternehmen den Fachkräftemangel bewältigen.

Er könne sich auch vorstellen, dass schon bald Flüchtlinge die Lücken füllen werden. In seinem Unternehmen habe er schon gute Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht, die als Praktikanten dort gearbeitet haben. Die Sprache sei der Schlüssel zum Zugang zu den Ausbildungsberufen.

Im Landkreis Eichstätt sind vorerst noch 345 Lehrstellen frei. Da die Unternehmen heuer 979 Lehrlinge einstellen wollten, ist etwa ein Drittel der Ausbildungsplätze unbesetzt. Die begehrtesten Ausbildungsberufe sind laut IHK heuer Technische Produktdesigner, Kaufleute für Büromanagement, Kaufleute für den Groß- und Außenhandel, Einzelhandelskaufleute und Industriekaufleute.

Im Landkreis Pfaffenhofen sind aktuell noch 251 Lehrstellen frei. Die Unternehmen wollten 842 Lehrlinge einstellen. Das entspricht einer Lücke von fast einem Drittel. Die beliebtesten Ausbildungsberufe sind Industrie-, Einzelhandelskaufleute, Kaufleute für Büromanagement, Elektroniker und Fluggerätemechaniker.