Ingolstadt
Ein Jahr unter Indianern

Die Ingolstädterin Viktoria Köhler will im ecuadorianischen Dschungel einem Naturvolk helfen, sein Land zu kaufen

27.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Da war sie noch im Urlaub – jetzt verbringt Viktoria Köhler aus Ingolstadt ein Jahr in Ecuador, um im Amazonasdschungel zu arbeiten. Am Samstag geht ihr Flug - Foto: privat

Ingolstadt (tsk) Mehr als 10 000 Kilometer liegen noch zwischen Viktoria Köhler und dem Ort, an dem sie ein Jahr lang ohne fließendes Wasser und Strom leben wird.

Am Samstag wird die junge Ingolstädterin dann nach Ecuador fliegen, um mitten im Amazonasdschungel die Shuar-Indianer zu unterstützen, in ihrem Kampf um Eigenständigkeit – wenn ihr nicht noch ein Vulkanausbruch einen Strich durch die Rechnung macht. Die Shuar, übersetzt heißt der Name so viel wie Menschen, leben noch weitgehend so, wie sie es schon vor Jahrhunderten getan haben, bevor die Inka, die Spanier oder christliche Missionare auch in die entlegensten Flecken Südamerikas vordrangen und versuchten, auch das Naturvolk östlich der Anden ihren Vorstellungen unterzuordnen. „Und diese Ausbeutung nimmt leider bis in die heutige Zeit kein Ende“, meint Viktoria Köhler. Denn die ecuadorianische Regierung wolle Zugriff auf die Gebiete, in denen die Shuar leben, um dort Ölbohrungen zu ermöglichen. Die Ureinwohner möchten das verhindern. Sie versuchen, der Regierung ihr Gebiet abzukaufen und haben zur Finanzierung ein touristisch-ökologisches Projekt ins Leben gerufen, bei dem Viktoria Köhler mithelfen will.

„Das Projekt beinhaltet neben einer Schule für die Kinder des Stammes, an der ich unterrichte, auch einen Gemüsegarten sowie traditionelle Häuser und ökologische Toiletten, an deren Bau und Instandhaltung ich mich beteiligen werde“, sagt die 18-Jährige, die am Gnadenthal-Gymnasium Abitur gemacht hat und Lateinamerikanistik studieren will. Ein Jahr lang wird sie in einer Hütte mit den Shuar leben und arbeiten. Wenn alles fertig ist, wollen die Indianer Touristen in den Dschungel locken, der davon aber möglichst wenig beeinträchtigt werden soll. Viktoria Köhler sagt, sie freue sich schon darauf, „hautnah bei einem der wenigen Indianerstämme, die noch bestehen, den täglichen Kampf ums Überleben mitzuerleben und von Werten wie Gemeinschaftssinn und Nächstenliebe zu profitieren“. Die Verständigung werde wohl mit Händen und Füßen funktionieren, glaubt die Ingolstädterin. Denn Spanisch beherrsche sie zwar, aber keine der indigenen Sprachen, die die Ureinwohner sprechen. Sie sei zwar aufgeregt, aber sie freue sich, ein Jahr fernab der Zivilisation leben zu können, sagt Viktoria Köhler. „Während sich meine Freunde hier in Deutschland in der Disco bei Rock- und Pop-Musik amüsieren, werde ich umgeben von Moskito-Sound in meiner Hängematte baumeln und anstatt einer Marlboro auf der Straße wohl Friedenspfeife am Lagerfeuer rauchen.“

Finanziert wird ihr Aufenthalt durch das Weltwärts-Programm, einen Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ein Viertel der Kosten muss die Ingolstädterin allerdings selbst aufbringen. Daher ist sie auf Spenden angewiesen.

Die Kosten und zwei weitere Probleme beschäftigen sie kurz vor ihrem Abflug noch: Zum einen sucht sie noch nach einer Möglichkeit, Kamera und Handy – ganz ohne Elektronik geht es dann doch nicht – für bis zu 100 Prozent Luftfeuchtigkeit fit zu machen. Zum anderen ist der Cotopaxi, einer der gefährlichsten Vulkane der Welt, gerade aktiv und nur 50 Kilometer von Ecuadors Hauptstadt Quito entfernt. Dort soll die junge Frau nach ihrer Ankunft eigentlich fünf Tage lang auf ihre Arbeit vorbereitet werden. „Es gibt bereits Evakuierungspläne für Quito“, sagt Viktoria Köhler. Zudem habe die Regierung den Ausnahmezustand über das ganze Land verhängt. Die Einreise sei aber noch möglich. Und die Ingolstädterin will auch weiter nach Ecuador fliegen.

Wer Viktoria Köhler bei ihrer Arbeit unterstützen will, kann sich bei der gemeinnützigen Gesellschaft Kultur Life, die das Jahr in Ecuador organisiert, nach dem Spendenkonto erkundigen, und zwar bei Manika Gruß per Telefon (04 31) 8 88 14 20 oder E-Mail unter manika@kultur-life.de.