Ingolstadt
Ein Jahr im Schatten der Katastrophe

Die Ingolstädter Museen bieten wieder zahlreiche Sonderausstellungen – der Schwerpunkt liegt auf dem Ersten Weltkrieg

03.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:14 Uhr

Das Grauen der Front: Die Figur des Schützen Anton, wie ihn das Museumspersonal nennt, in der bedrückenden Rekonstruktion eines Schützengrabens in der Dauerausstellung über den Ersten Weltkrieg im Reduit Tilly. Das Bayerische Armeemuseum widmet sich dem Kriegsausbruch vor 100 Jahren mit einem großen Programm. Auch das Medizinhistorische und das Stadtmuseum tragen zu dem Thema einiges bei. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Besucherzahlen in den Museen der Stadt bewegen sich weiter auf hohem Niveau: 85 805 kamen im Jahr 2012. Ein großes Angebot an Sonderausstellungen dürfte heuer dazu beitragen, diesen Wert zu steigern. Das staatliche Bayerische Armeemuseum widmet sich ganz dem Ersten Weltkrieg.

Herr Seehofer stritt sich gern. Ketzerischen Thesen war er sehr zugeneigt, schließlich hatte er in Wittenberg bei Melanchthon studiert. An der Hohen Schule zu Ingolstadt kam der aufrührerische junge Magister indes nicht sehr weit. 1523 musste Arsacius Seehofer seine reformatorischen Glaubenssätze widerrufen. Die Uni warf ihn hinaus. „So hoffte die Hohe Schule, der lutherischen Schalkheit entgegenzuwirken und zu verhüten, dass sie in Ingolstadt Wurzel fasse“, hieß es damals.

In dieser prekären Situation kam eine Frau Herrn Seehofer zu Hilfe: Argula von Grumbach nahm sich des Verstoßenen an. Fortan schritt das ungewöhnliche Duo gemeinsam über das weite, gefährliche Feld der Reformation und das der Gegenreformation, die in Ingolstadt, Johannes Eck sei Dank, ein Epizentrum erhielt.

Der streitbare Professor ist schon ausgiebig gewürdigt worden, die Geschichte Seehofers und Argulas dagegen weniger. Das Stadtmuseum widmet den beiden daher eine der drei Sonderausstellungen dieses Jahres. „Der Beginn der Reformation jährt sich erst 2017 zum 500. Mal, aber so lange wollten wir mit dem Thema nicht warten“, erklärt Edmund Hausfelder vom Stadtmuseum. Da trifft es sich gut, „dass Seehofer heuer einen einigermaßen runden Geburtstag hat“. Vermutlich den 510.

Im Kontext des Jubiläums „25 Jahre Mauerfall“ zeigt das Stadtmuseum ab 23. Februar die Ausstellung „Das Dorf Sorge – ein Ort mitten in Deutschland“. Sorge ist ein winziges, aber geschichtsträchtiges Nest im Südharz. „Zu DDR-Zeiten durfte das Dorf eigentlich gar nicht existieren, weil es zu dicht an der Grenze lag, und da durften keine Menschen leben.“ Rund 300 waren es 1989, im Jahr des Mauerfalls, kaum 100 sind es heute. Der Kontakt kam zustande, als der Heimatverein Sorge 2012 eine Ausstellung über die bayerischen Wittelsbacher erarbeitete und Hilfe aus dem Ingolstädter Stadtmuseum erhielt.

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Medizinhistorischen Museum, dem Bayerischen Armeemuseum und der Berliner Charité zeigt das Stadtmuseum ab 18. Mai die Sonderausstellung „Who cares“ über die Geschichte und den Alltag der Krankenpflege mit dem Schwerpunkt auf der militärischen Krankenpflege in Ingolstadt von 1914 bis 1918 – also im Krieg.

Das Bayerische Armeemuseum rüstet zum Großeinsatz, denn der Ausbruch des Ersten Weltkriegs jährt sich heuer zum 100. Mal. Als Heimat der renommierten Dauerausstellung zu dem Jahrhundertereignis ist das Haus natürlich besonders gefordert. Schon im Herbst hat das Museum ein gut besuchtes Symposium zum Krieg veranstaltet. „Die Resonanz hat gezeigt, wie groß das Interesse an dem Thema ist“, berichtet Museumsleiter Ansgar Reiß. Er erklärt die Aufmerksamkeit für die europäische Katastrophe der Jahre 1914 bis 1918 auch damit, „dass die Diskussionen über den Ersten Weltkrieg noch nicht so abgegrast sind wie die über den Zweiten Weltkrieg“. Dieser habe wegen des Holocaust und der deutschen Schuld lange alles überlagert. Das ändere sich nun.

Die Wissenschaft habe gängige, aber falsche Interpretationsmuster für den Ersten Weltkrieg revidiert, vor allem das von der Alleinschuld Deutschlands und Österreichs. „Man darf die Deutschen auch nicht nur in einer Sonderrolle sehen“, erklärt der Historiker. „Wir erleben die Europäisierung des Bildes vom Ersten Weltkrieg, was auch daran liegt, dass viele Erinnerungen an ihn aus Frankreich und England an uns herangetragen werden, denn für diese Nationen ist er der große Krieg, The Great War, La Grande Guerre, wie er dort heißt.“ Aber auch in Deutschland werde der Erste Weltkrieg immer wichtiger. Reiß sieht es als Aufgabe seines Hauses an, „diese Katastrophe ganz eigener Art mehr ins Bewusstsein zu rücken“.

Das Bauerngerätemuseum in Hundszell widmet sich dem Leben. Es zeigt ab 6. Juli die vom Wissenschaftszentrum Umwelt erarbeitete Ausstellung „Grüner Klee und Dynamit – Der Stickstoff und das Leben“. Denn der Stickstoff ist „der Motor allen biologischen Wachstums und damit der Ernährung des Menschen“. Die Dauerausstellung zur Viehwirtschaft ist nach bald 20 Jahren neu gestaltet worden. Das Ergebnis wird vermutlich im Mai präsentiert.

Das Fleißerhaus erinnert an den 40. Todestag der berühmten Autorin. Am 27. April wird dort die Ausstellung „Vom jungen Star zum Star der Jungen“ eröffnet. Sie schildert den großen Erfolg Marieluises Fleißers 1926 – und das Gegenteil in den 1960ern, als sich die Feuilletons nicht mehr für sie interessierten, die bewegte Jugend jener Zeit aber dafür um so mehr.