Ingolstadt
Ein Hauch von Freiheit

30.01.2011 | Stand 03.12.2020, 3:12 Uhr

Zum Hauptquartier der Amis geht’s links. Der Wegweiser aus der Nachkriegszeit eröffnet die Ausstellung "Der Kampf um die Bürgerrechte, afroamerikanische GIs und Deutschland", die von 1. Februar bis 6. März im Neuen Schloss zu sehen ist. - Fotos: Rössle

Ingolstadt (DK) Sie kamen einst als Besatzer, und ziemliche viele von ihnen verließen Deutschland nur ungern, denn hier spürten die farbigen Soldaten der US-Armee den Hauch der Freiheit; daheim dagegen galten sie noch als Menschen zweiter Klasse. Davon erzählt eine Sonderausstellung des Bayerischen Armeemuseums.

Der junge Mann kam aus der New Yorker Bronx, dem Ghetto der Afroamerikaner. Seine Eltern stammten aus Jamaika. Er war 21, als er in eine neue Welt gelangte: Deutschland. Für den farbigen Soldaten das Reich des Liberalismus, das seine Kenntnis gesellschaftlicher Realitäten geradezu radikal erweiterte. Colin Powell, der spätere Generalstabschef und US-Außenminister, hat seine Jahre als GI in der Bundesrepublik nie vergessen. 1995 schrieb er in seinen Memoiren: "Für schwarze Soldaten, vor allem jedoch für diejenigen aus dem Süden, war Deutschland ein Hauch von Freiheit. Sie konnten gehen wohin sie wollten, essen wo sie wollten, und treffen wen sie wollten, genau wie andere Leute auch." Daheim in den USA durften sie das nicht, lang noch nicht. Dort galten Afroamerikaner weiterhin als Bürger zweiter Klasse.
 

Hier schlicht von "Ironie der Geschichte" zu sprechen, wäre etwas verharmlosend. Tatsächlich gehört die Rolle der farbigen Kriegsheimkehrer zu den Grotesken der jüngeren Historie der USA. Davon erzählt eine Sonderausstellung des Bayerischen Armeemuseums, die am Dienstag eröffnet wird. Ihr Titel: "Der Kampf um die Bürgerrechte – afroamerikanische GIs und Deutschland."

Ansgar Reiß, der Direktor des Hauses, erklärt den Zusammenhang: "In der US-Army herrschte bis in den Korea-Krieg der fünfziger Jahre strikte Rassentrennung. Es galt der Grundsatz: ,Kein Weißer unter dem Kommando eines Schwarzen!’ Deshalb gab es unterschiedliche Quartiere, Versorgungslinien und so weiter. Das war natürlich völlig unpraktisch, aber man hat es durchgehalten."

Für die farbigen Soldaten des Zweiten Weltkriegs führte das zu einer höchst bizarren Erfahrung: "Sie haben mitgeholfen, Europa von den Nationalsozialisten zu befreien und damit vom Rassismus. Doch als sie in die USA zurückkehrten, mussten sie vor allem in den Südstaaten im Bus wieder hinten sitzen, wurden in Lokalen nicht bedient und durften auch nicht wählen", erklärt Reiß. "Ein gewaltiger Kontrast! In diese Kerbe hat die Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre natürlich voll reingehauen."

Denn das Selbstbewusstsein der Afroamerikaner hatte gerade wegen des siegreichen Krieges immens an Stärke gewonnen. Und eben die brachten sie mit in die Heimat, um für ihre Gleichberechtigung zu streiten. Soldaten, die in West-Germany gedient hatten, beseelte zusätzlich das gute Gefühl, hier einen Breath of Freedom gespürt zu haben, einen Atemzug der Freiheit, wie ihn auch Colin Powell beschreibt. Reiß erzählt: "Viele farbige GIs haben ihre Dienstzeit in Deutschland verlängert."

Auch von den fröhlichen Besatzern erzählt die Wanderausstellung mit zahlreichen historischen Fotos, Tafeln und Originalstücken wie der Uniform eines Hauptmanns der US-Militärpolizei (ein Captain Baynes, verrät das Namensschild) oder einem Plakat, das zum Ingolstädter Hauptquartier (Headquarters) des 60. Infanterieregiments wies. Es stammt aus Privatbesitz und lagerte lang in einem Kohlenkeller, wie die Färbung auf der Rückseite verrät. Die Zahl der Exponate hält sich indes in Grenzen. "Leider ist die Nachkriegszeit in Bayern nicht allzu breit dokumentiert", erklärt der Museumsdirektor.

Doch ein Besuch lohne allein schon wegen der sehenswerten Fotos, findet er. Darunter Rares wie Martin Luther Kings Berlin-Besuch 1964. Oder Reiß’ Favorit: Die Bürgerrechtsikone Angela Davis und ihre monumentale 70er-Jahre-Lockenpracht an der Hand Erich Honeckers.