Ingolstadt
Ehre sei Gott in der Höhe

Eine festliche halbe Stunde mit Blasmusikern aus Möckenlohe auf dem Pfeifturm

30.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Sie grüßen hoch über den Dächern der Stadt: die Möckenloher Turmbläser (v. l.) Franz Schlagbauer, Ingrid Harrer, Stefan Bergmann, Dominik Harrer, Bettina Thiermeyer und Daniel Fuchs. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Sie pflegen eine Schanzer Tradition aus dem 16. Jahrhundert: die Pfeifturmbläser. Einmal in der Woche musizieren wechselnde Gruppen in 50 Metern Höhe. Am Samstag erfüllten die Möckenloher Turmbläser den blauen Himmel über der Altstadt mit festlicher, erhebender Musik.

Kaum haben sie in der Hitze ihre Instrumente 50 Meter hoch ins Turmzimmer gehievt, wenden sich die jungen Musiker aus dem Landkreis Eichstätt dem Wesentlichen zu: Wo ist Möckenlohe? Man müsste ihr Heimatdorf vom Pfeifturm aus doch eigentlich sehen können. Dominik Harrer, Lehrer, Musiker, Komponist, Heimatpfleger und Leiter der Möckenloher Turmbläser, lässt seine gut 100 Jahre alte Tuba erst mal in einer Ecke der angestaubten Stube stehen und hält angestrengt Ausschau. Das da hinter Pettenhofen könnte es sein. Oder? „Na, des is eher Tauberfeld“, sagt Stefan Bergmann, Posaunist und musikalischer Begleiter Harrers, seit sie in der zweiten Klasse zusammen Blockflöte gelernt haben. Das war vor 28 Jahren. Die Musiker sagen freilich nicht Möckenlohe, sondern ganz im heimatlichen Idiom „Meggalou“, mit hart in Richtung Oberpfalz tendierendem „ou“.

Der kulturell rege Ortsteil der Gemeinde Adelschlag ist leider nicht zu entdecken. Drum jetzt zur Musik. Ingrid Harrer, Ehefrau des Ensembleleiters, spielt Basstrompete, Bettina Thiermeyer zückt ihr Flügelhorn, und als auch Daniel „Fuxxi“ Fuchs eintrifft, sind die Turmbläser aus Möckenlohe komplett. Unterstützung bekommen sie von einem Schanzer: Franz Schlagbauer am Waldhorn. Er hat seinen Vater dabei, Martin Schlagbauer, Landwirt und langjähriger Stadtrat. Er war schon oft auf dem Pfeifturm. „Und es ist immer wieder schön hier oben!“ Während die Musiker ihre Notenständer aufklappen, bietet Schlagbauer senior eine kleine heimatgeschichtliche Ouvertüre: „Das ist ein städtischer Turm. Bis 1945 hat hier ein Türmer gewohnt, der nach Feuer Ausschau gehalten hat.“

Halb zwölf. Das Ensemble tritt nach draußen auf den Balkon des Turms. Eine erfrischende Brise weht aus Westen, unter den Musikern glüht die Stadt. Aber bevor sie zu spielen beginnen, starten sie einen weiteren Versuch, ihre Heimat zu erspähen. „Da ist der Eitensheimer Baywa-Turm“, ruft Harrer. Gleich dahinter müsste Meggalou sein. Martin Schlagbauer glaubt das nicht. Er hat aber einen Tipp: „Wenn man die Obere Pfarr abreißt, könnte man euer Dorf sehen.“

Weg mit dem Münster für freie Sicht auf Möckenlohe – das braucht es dann nun auch wieder nicht. Die Musiker setzen lächelnd ihre Instrumente an. Hochstimmung 50 Meter über dem Boden. Der Balkon reicht um den ganzen Turm herum, deshalb können die Bläser in jede Himmelsrichtung spielen. Das Sextett beginnt mit Norden. Ein Choral ertönt. Als exzellente Musiker intonieren sie auch jedes noch so kurze Crescendo voller Hingabe, obwohl sie wissen, dass sich zarte Töne auf dem weiten Weg in die Tiefe dezent verflüchtigen. Der Schall, so scheint es, bricht sich am Modehaus Mayr und kehrt als sanftes Echo zurück. „Es ist akustisch was ganz anderes, hier zu spielen“, erzählt Daniel Fuchs. „Das ist grad das Tolle!“ „Hier hat man eine Aussicht, die man auf einer Bühne nicht hat“, sagt Bettina Thiermeyer. Es mache den Reiz ebenerdiger Konzerte aus, „den Leuten gegenüberzusitzen und mit ihnen zu reden“. Hoch über den Dächern einer historischen Altstadt herrsche „eine ganz andere Stimmung“: beseelend. Die Künstler lieben beide Perspektiven. „Es ist einfach ein erhebendes Gefühl, hier zu musizieren“, sagt Ingrid Harrer.

Erst recht, wenn man klangvolle Musik zur Ehre Gottes gen Himmel schickt, etwa Joseph Haydns Anton-Choral oder Dominik Harrers ebenso festliche Komposition „Maria auserkorn von Gottes Gnad“. Als der Schlusston verhallt, schweigen die Möckenloher kurz und fast ein wenig ergriffen – bis unten in der Dollstraße das Glockenspiel losscheppert. Defiliermarsch. Das war’s dann mit der spirituellen Behaglichkeit.

Zum Schluss wenden sich die Pfeifturmbläser gen Süden. „La Mourisque“ des Tylman Susato wird vom Mittagsläuten aus St. Moritz und dem Münster volltönend begleitet. Die Musiker steigen fröhlich hinab. Gemäß ihrer Pfeifturm-Tradition geht es jetzt ins Wirtshaus. Und dann wieder heim. Nach Meggalou.