Ingolstadt
Ein Drama mit Vorgeschichte

Im Totschlagsprozess von Zandt sagen Bekannte von Opfer und Täter aus

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

In diesem Einfamilienhaus im Denkendorfer Ortsteil Zandt ereignete sich die Tragödie. Ein 32-jähriger Deutsch-Algerier soll im Streit seine Ehefrau, eine Französin, erstickt haben. Er ist wegen Totschlags angeklagt. Archivfoto: Richter

Ingolstadt (DK) Wie konnte es zu dem Familiendrama von Zandt (Kreis Eichstätt) kommen? Hatte sich der tödliche Streit zwischen den Eheleuten am 2. Januar vorher abgezeichnet? Welche Rolle spielte ein Nebenbuhler? Und was lässt sich über den Charakter des Angeklagten sagen? Diese Fragen beleuchtete das Schwurgericht am Ingolstädter Landgericht gestern am dritten Verhandlungstag im Totschlagsprozess etwas genauer.

Dazu sagte unter anderem eine gute Freundin der von ihrem Ehemann im Bad erstickten Französin aus. Die Frau aus dem Kreis Eichstätt war so etwas wie die Ersatzmutter in der Wahlheimat, mindestens aber eine sehr gute Vertraute. "Wir haben sehr oft telefoniert", schilderte die 77-Jährige. Ihr berichtete das spätere Opfer von einem anderen Mann am Arbeitsplatz, der sich intensiv um die 48-Jährige bemühte. "Ein glühender Verehrer", berichtete die Freundin.

Ihm gegenüber brachte es die Frau aber nicht zustande, klar zu sagen, dass sie verheiratet ist. Dass sie alle Einladungen ausschlug, mit Verweis darauf, sie habe keine Zeit oder sie sei nicht so frei wie er, verstand der Mann offenbar nicht. Kurz vor dem verhängnisvollen Streit (nach Neujahr) habe die Frau gesagt, sie empfinde tatsächlich immer mehr für den Verehrer. Es war eine Zeit, als die Beziehung daheim kriselte.

Auslöser war auch, dass dem 32-jährigen Ehemann der Nebenbuhler nicht verborgen geblieben war. Er habe seine Frau und deren E-Mails und Handyaktivitäten regelrecht überwacht. Selbst litt er auch unter den Spannungen, konnte nicht mehr schlafen, nahm massiv ab. Immer wieder habe es Streit zwischen den Eheleuten gegeben. Zu körperlichen Übergriffen vor dem 2. Januar, dem Tattag, sei es aber nicht gekommen. "Das hätte sie mir sicher gesagt", so die Freundin.

Vom Ehemann habe sie über die Jahre "den besten Endruck" gehabt. Gute Manieren, ein liebevoller Vater für den achtjährigen gemeinsamen Sohn der Eheleute. Ihr gegenüber habe er sich stets von der besten Seite gezeigt. "Er hat aber auch zwei Gesichter", soll ihr die Freundin in der Krisenzeit gesagt haben. Druck aufbauend, böse. Die Ehefrau habe Angst vor ihm gehabt. Ihre Freundin bezeichnete sie als kokett, gepflegt, freundlich, sehr belastbar, sehr kämpferisch und manchmal auch mit spitzen Bemerkungen. "Eine temperamentvolle Französin." Die aber ihren Ehemann trotz des Nebenbuhlers nicht habe verlassen wollen.

Beide lebten auf großem Fuß, das Geld sei trotz Doppelverdienerhaushaltes stets knapp gewesen. Für die Tat dürfte das aber keine Rolle spielen. Interessanter ist vielmehr, dass die Eheleute zu ihrer persönlichen Situation ein Lügenkonstrukt aufgebaut hatten. Der Mann arbeitete in einem Supermarkt in Ingolstadt, wo die Kollegen und Chefs annahmen, er sei alleinerziehender Vater und habe auch noch die Oma zu Hause zu pflegen. Von einer Ehefrau kein Wort. Und die Oma gibt es überhaupt nicht. Das Ehepaar hatte sich die Episode für eine längere berufliche Auszeit des 32-Jährigen ausgedacht, um sich beim Arbeitgeber zu erklären. Und da die Oma schon mal in der Welt war, wurde sie als Ausrede für Fehlzeiten weiter genutzt.

Bei seinen Kollegen war der Angeklagte sehr beliebt und geschätzt, wie eine Mitarbeiterin und die Marktleiterin des Supermarktes bestätigten: witzig, charmant, zuvorkommend, immer gut gelaunt, fleißig, zuverlässig. Nie ein böses Wort, nie aggressiv oder streitsüchtig. Er habe seinen Zustand auf Nachfrage aber heruntergespielt.

Eine wichtige Frage des Prozesses ist, in welchem psychischen Zustand sich der Angeklagte vor, während und auch nach der von ihm eingestandenen Tat befand. Nachdem er seine Frau erstickt hatte, wurde er über Nacht auf der Akutstation der psychiatrischen Abteilung des Ingolstädter Klinikums - fixiert - untergebracht. Der 32-Jährige hatte bei der Polizei, wo er sich selbst gestellt hatte, einen sehr verwirrten Eindruck gemacht. Auch noch im Klinikum. Dort rief er immer wieder laut den Namen seiner Frau. Antwortete auf Fragen der Oberärztin, sie möge doch seine Frau fragen - die aber in ihrem eigenen Blut im Zandter Haus lag. "Er könne ohne Frau nicht mehr leben", habe er laut behandelter Oberärztin zudem gesagt. Daraus schloss man mögliche Suizidabsichten. Die Oberärztin bejahte die Hafttauglichkeit am nächsten Morgen, allerdings nur in einem suizidsicheren Haftraum.