Ingolstadt
Vielleicht nie wieder in Freiheit

Köschinger Todesschütze nimmt Verhängung der Höchststrafe gefasst auf

29.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Ingolstadt (DK) Mord am Schwiegersohn, Totschlag an der Tochter - dafür hat das Schwurgericht gestern die Höchststrafe verhängt: Lebenslänglich, mindestens also 15 Jahre, soll der Köschinger Todesschütze ins Gefängnis. Der Mann nahm das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, regungslos entgegen.

Zwölf Verhandlungstage lang hat der 69-jährige Rentner, der am 18. September vorigen Jahres im Haus seiner Kinder mit seiner illegal erworbenen Pistole ein Blutbad angerichtet hat, den Schwurgerichtsprozess nahezu wortlos von der Anklagebank aus verfolgt. Eine zu Beginn von seinem Anwalt verlesene Erklärung, in der er die Tat eingeräumt und die tödlichen Schüsse auf seine Tochter als Versehen dargestellt hat, war neben seinem Schlusswort, in dem er Bedauern für das Geschehene geäußert hat, so ziemlich das Einzige, was Gericht und Prozessbeobachter direkt von ihm erfahren haben.

Am Freitagmittag hat sich der Mann nach der fast zweistündigen Urteilsbegründung durch den Vorsitzenden Richter Jochen Bösl ruhig wie an allen anderen Tagen zuvor abführen lassen - auf dem Weg in eine möglicherweise bis an sein Lebensende dauernde Gefangenschaft.

Denn auch, wenn das Gericht keine besondere Schwere der Schuld festgestellt hat (das war auch vom Staatsanwalt nicht beantragt worden), muss der Rentner davon ausgehen, dass ihm kein langer Lebensabend in Freiheit mehr beschieden sein dürfte. Wenn nicht beizeiten auf Haftunfähigkeit erkannt werden sollte, kann der Mann frühestens nach 15 Jahren ein Ersuchen auf vorzeitige Haftentlassung stellen. Dann wäre er bereits 84.

Das Schwurgericht hat die Köschinger Familientragödie seit Mitte Mai in allen Facetten beleuchtet, Dutzende Zeugen und vier Gutachter angehört. Ein Teil der Tat (die ersten beiden Schüsse auf den Schwiegersohn vor der Haustür) ist durch Videoaufzeichnungen klar belegt. Durch das Geständnis des Angeklagten hat es ohnehin von Beginn an keine Zweifel daran gegeben, dass er für den Tod von zwei Menschen verantwortlich ist. Zu klären hatte die Strafkammer aber das Warum und die strafrechtliche Bewertung.

Landgerichtsvizepräsident Bösl stellte in seiner Urteilsbegründung klar, dass die Recherchen des Gerichts zum langen Streit und zum tiefen Zerwürfnis in der großen Familie des gebürtigen Kosovo-Albaners nicht dazu gedient haben, einem der Lager eine Schuld an der blutigen Eskalation zuzuweisen. Die Richter hätten vielmehr allein die Beweggründe des Täters ergründen müssen. Dabei sei klargeworden, dass der Mann durch den drohenden Verkauf der beiden von ihm gebauten bzw. sanierten Häuser und durch den Riss in seiner Familie sein Lebenswerk zerstört gesehen habe. Bösl: "Er hat unter diesem Familienzwist erheblich gelitten."

Die Schuld an dem Zerwürfnis hat der Rentner nach Auffassung des Gerichts vor allem dem Schwiegersohn gegeben, dessen Tod er nach einer erneuten Beleidigung durch den jüngeren Mann am Tattag quasi beschlossen habe. Die zielgerichtete Vorgehensweise mit bereits entsicherter und im Hosenbund versteckter Waffe, die ohne jedes Innehalten verübte Tat (leergeschossenes Magazin, fünf Treffer) und die unbedingte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers - das alles hat das Gericht dazu bewogen, die Tötung des Mannes als heimtückischen Mord zu bewerten.

Den Tod der Tochter hat der Rentner nach Überzeugung der Kammer zwar wahrscheinlich nicht geplant, bei seinen Schüssen aber zumindest billigend in Kauf genommen, weshalb hier auf Totschlag erkannt wurde. Schuldmildernde Gründe wurden von den Richtern nicht gesehen. Trotz erheblichen Alkoholkonsums habe der Mann nachweislich der Videobilder und etlicher Zeugenaussagen zum Tatzeitpunkt und auch noch kurz danach klar agieren können und keine Ausfallerscheinungen gezeigt.