Ingolstadt
Kalifornien im Blick, Rosenheim im Sinn

Stadtrat votiert einstimmig für digitales Gründerzentrum Standort Dallwigk bleibt umstritten

03.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:52 Uhr
Silhouette der Zukunft: Das Kavalier Dallwigk als Standort für das digitale Gründerzentrum bleibt umstritten. −Foto: Simulation: Zoom-Architekten

Ingolstadt (DK) Ein digitales Gründerzentrum wollen sie alle, aber der anvisierte Standort im Kavalier Dallwigk bleibt umstritten. Der Stadtrat sprach sich gestern einstimmig dafür aus, dass sich die Stadt für das Zentrum bewirbt. Vor der Entscheidung über dessen Sitz gab es jedoch starken Widerspruch.

Christoph Lauer, Informatiker bei Audi, verbrachte letzthin beruflich eine Woche im Silicon Valley. Die Begeisterung darüber, was er in dem legendären kalifornischen Zentrum der Zukunftsindustrien erlebt hat, beseelt den Grünen-Stadtrat noch immer. "Das kann man mit Worten gar nicht beschreiben", sagte er gestern im Stadtentwicklungsausschuss. "Was da für eine Aufbruchstimmung herrscht! Und alle großen Player ziehen an einem Strang, um das Thema künstliche Intelligenz voranzutreiben! Da müssen wir in Deutschland noch viel lernen und nachholen."

Ein gewisses Stück vom Silicon Valley entfernt, auf dem alten Ingolstädter Gießereigelände, soll die Aufholjagd vorankommen. Im Rahmen der kommunalen Möglichkeiten. Dort, im Kavalier Dallwigk gleich neben der Technischen Hochschule (TH), könnte ein vom Freistaat gefördertes digitales Gründerzentrum entstehen - sofern die Stadt den Zuschlag erhält. Doch auf dem Weg in die Zukunft der Industrie müssen die Ingolstädter erst noch Rosenheim abhängen. Und jetzt auch München-Land; dort hat man sich ebenfalls beworben. Angesichts der starken Konkurrenz appellierte Bürgermeister Albert Wittmann (CSU) an alle Stadträte und Medienvertreter, doch bitte auf die Außenwirkung dieser Sitzung zu achten, da das bayerische Wirtschaftsministerium und die über das Gründerzentrum entscheidende Jury "genau auswerten", wie sich die gewählten Vertreter in den Bewerberstädten verhalten. Die Rosenheimer hätten sich schon einstimmig für ein Gründerzentrum ausgesprochen, berichtete Wittmann.

Die Ingolstädter Stadträte gaben jedoch ein heterogenes Bild ab. Für das Zentrum ist jeder. Grundsätzlich. "Eine Zukunftsperspektive für unsere Stadt, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann!" Diesen Gedanken Wittmanns griffen die Redner aller Parteien auf. Doch ebenso entschlossen erklang aus der Oppositionsreihe das große Aber: Ist das Baudenkmal Dallwigk, das erst aufwendig restauriert werden müsste, wirklich der richtige Ort für das Ingolstädter Silicon Valley? Davon sei er nicht überzeugt, sagte Lauer, denn diese Lösung würde für drei Jahre ein Interimsgebäude erfordern, so lange dauere die Sanierung des Festungsbaus mindestens. "Was man dort plant, ist eher zu klein. Ein Neubau würde schneller gehen, wäre billiger und erlaubt mehr Flexibilität."

Diese Position vertritt die SPD entschlossen: "Wir sind selbstverständlich für ein digitales Gründerzentrum, aber nicht an dieser Stelle!", donnerte Manfred Schuhmann. 20 Jahre lang (seit die Firma Rieter das Gießereigelände verlassen hat) sei sich der Stadtrat darin einig gewesen, dass dort neuer Raum für Wissenschaft, Bildung, Kultur und die Allgemeinheit entstehen soll - aber jetzt sei das über Nacht plötzlich alles anders. Schuhmann: "Mir konnte auch noch keiner erklären, warum ein digitales Gründerzentrum zentrumsnah sein soll - und das bei den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten!"

Nicht die Nähe zum Stadtzentrum sei entscheidend, sondern die Nähe zur TH, erwiderte Joachim Genosko (CSU). Das fordere die Ausschreibung. "Die Entscheidung für das Gründerzentrum fiel im Grunde schon vor vielen Jahren mit der Entscheidung, die Fachhochschule zentrumsnah an dieser Stelle zu bauen." Die reifte zur TH und expandiert kräftig weiter. "Als Präsident würde ich mich auch für einen Campus einsetzen und alle Institutionen in der Nähe der TH ansiedeln."

Am Nachmittag befasste sich der Stadtrat in einer Sondersitzung mit der Bewerbung für das Gründerzentrum. Diesmal appellierte OB Christian Lösel an den Stadtrat, er möge bitte "ein geschlossenes Signal senden". Das gelang ihm nur bedingt, denn schnell flammte die Debatte um das Donaumuseum wieder auf, das ursprünglich im Dallwigk entstehen sollte. Petra Kleine (Grüne) kritisierte mit Blick auf den OB: "Wenn Sie wirklich ein geschlossenes Signal gesucht hätten, dann hätten sie auf die Förderer des Donaumuseums zugehen müssen! Nur so!" Im Übrigen könne das "komplizierte Bauwerk Dallwigk", das eigentlich auch zu klein sei, der Bewerbung der Stadt schaden. "Ich habe kein anderes Grundstück in der Nähe der TH!", beteuerte Lösel mehrfach. "Das ist doch ein Armutszeugnis, so was zu sagen", klagte Achim Werner (SPD). Was sende denn das für ein Signal nach München?

CSU-Stadtrat und Altoberbürgermeister Alfred Lehmann glättete die Wogen etwas, als er von der grundsätzlichen Bedeutung eines Donaumuseums sprach. Er bemerkte aber auch: "Sind die Bürger die Verlierer, wenn kein Donaumuseum ins Dallwigk kommt? Ich bin mir sicher: Die Bürger - vor allem die jungen Leute - sind die Verlierer, wenn wir kein digitales Gründerzentrum bekommen! Denn das wäre ein Rückschlag für den Wirtschaftsstandort!" Dafür bekam er viel Applaus.

Am Ende votierte der Stadtrat einstimmig für eine Bewerbung der Stadt für das digitale Gründerzentrum und gegen die Stimmen von SPD, Grünen, BGI und ÖDP für dessen Ansiedelung im Kavalier Dallwigk.