Ingolstadt
Die rauschende Nacht der Worte

Beziehungsprobleme und Babystress: Ingolstädter Autoren lesen in der Harderbastei aus ihren Werken

08.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:51 Uhr

Gruppenbild mit Stargast: ein Teil der Autoren - darunter Jens Rohrer und Michael von Benkel (sitzend, v. l.) - vor der Lesung mit dem Münchner Komiker und Schriftsteller Moses Wolff (hintere Reihe, 2. v. l.) beim Fototermin. Mit dabei auch die Musiker von Serious Project. - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Normalerweise bildet sie den Abschluss der Literaturtage - die Literarische Nacht, bei der Autoren aus der Schanz aus ihren Texten lesen. Heuer müssen die Schriftsteller das Finale zwar Hertha Müller überlassen, den Samstagabend machten sie dennoch zu einer rauschenden Nacht der Worte.

Beziehungen zwischen Menschen können oft schwierig und Roman-füllend sein. Kaum jemand weiß das besser, als Buchautoren und ihre Leser. Dass auch die Beziehung zur deutschen Sprache mitunter komplizierte Hürden zu meistern hat, das zeigte Cinzia Tanzella mit ihrem Text auf, mit dem sie die Literarische Nacht in der bestens besuchten Harderbastei schwung- und humorvoll eröffnete. "In die Küche" oder doch "In der Küche", "Rücksack" oder "Rucksack". Man könne im Deutschen schon an den Kleinigkeiten scheitern, stellte sie fest. Längere Sätze grammatikalisch richtig zu formulieren - daran traute sich die sympathische Italienerin nach ihrer Ankunft in der neuen Heimat lange nicht heran, erinnerte sie sich. In der Bäckerei setzte sie daher lieber auf Zeichensprache als auf die korrekte Wortfindung von "Kornspitz", die bei ihr - zur Verblüffung der Verkäuferin - zu "Spitzkorn" verunglückt. Ja, lange habe sie sogar den Kontakt zu Männern mit Namen wie Jörg, Björn oder Horst gemieden, weil ihr diese so gar nicht Dudenkonform über die Lippen kommen wollten. Und für eine Sonnenblumenkornsemmel, konsternierte sie, da müsse man bei der Bestellung schon lange Luft holen.

Nachdenklichere Stimmung bescherte dem Publikum Fitnat Ahrens mit ihrem surrealistischen Text vom schwarzen Zeitwagon, der die Protagonistin zu einem Seelenumzug, einer Art Reinkarnation, befördert. Ahrens, die sich als Migrantin bezeichnete, griff mit dem Text, in dem sie ihre eigene Reise in die unbekannte neue Heimat thematisierte, gleichzeitig auch das derzeit aktuelle Flüchtlingsthema auf. Wie die anscheinend wenig vorteilhafte Anschaffung eines Porsches zu tiefen, wenn auch hart erarbeiteten Einsichten im Beziehungsalltag führen kann, beschrieb Susanne Feiner in ihrer Kurzgeschichte "Sichtweisen". Darin gibt ein Mann den Golf der Familie für den schwäbischen Luxusboliden dran und weckt damit den Unmut seiner besseren Hälfte, was zu einer Grundsatzdiskussion führt, bis diese ihm den Koffer packt. Der Mann wuchtet ihn in den Porsche, braust davon und kommt schließlich reumütig zurück. Diesmal aber ohne Sportwagen.

Tief in die menschlichen - oder besser gesagt männlichen - Abgründe ließ Jens Rohrer in seinem sarkastischen und mit viel schwarzem Humor gespickten Text "Vaterfreuden" blicken. Rocky Rohrer heißt darin der ungeplante Zögling, der das Licht der Welt erblickt und das Familienalbum der Rohrers so zur "Rocky Rohrer Picture Show" werden lässt. Seiner von schlaflosen Nächten geplagten Frau kann der Rabenvater, der sein Kind mit einem Metallica-Song in den Schlaf wiegt, von da an nicht mehr viel abgewinnen. Ihre Augenringe erinnern ihn vielmehr an Karl Dall. Er dagegen besucht lieber ein Bordell, nimmt sich drei Monate Elternzeit und geht auf Weltreise.

Nach weiteren Lesungen, unter anderem mit Michael von Benkel, Susanne Rasch, Gisela Geiseler und Dominik Neumayr, setzte zu fortgeschrittener Stunde der Münchner Autor und Schauspieler Moses Wolff mit teils absurd-witzigen Dialogszenen den Schlusspunkt unter die Nacht der Literaten. Darin schilderte er unter anderem die Begegnung mit dem Osterhasen, der sich bei ihm einquartiert und sich schließlich, mit acht Bier und einer Flasche Schnaps im Eierkorb, aber nicht ohne einen netten Gruß zu hinterlassen, wieder verabschiedet. Musikalisch begleitet wurde der Abend von der Ingolstädter Formation Serious Project, die mit deutschsprachigem Poetry-Pop begeisterte.