Ingolstadt
Die fröhlichste Festung der Stadt

06.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:26 Uhr

Martin demonstrierte die Steuerung eines Krans, zur Freude der Lehrerinnen Martina Drexler, Gabi Gabler und der Betreuerin Kathi (v. l.).

Ingolstadt (DK) Vor 30 Jahren wurde die Johann-Nepomuk-von-Kurz Schule für Kinder und Jugendliche mit körperlicher Behinderung gegründet, seit 1986 residiert sie im sehenswert modernisierten Kavalier Elbracht. Am Samstag präsentierte die Schulgemeinschaft die vielfältigen Fördermöglichkeiten.

Es weihnachtet auf Knopfdruck. Die kleinen, rundlichen Apparate mit der großen Schaltfläche stimmen bei Berührung ein Liedlein an. Jeder kennt eine Strophe. "Advent, Advent, ein Lichtlein brennt", tönt es aus einem Gerät, "dann steht das Christkind vor der Tür" aus einem anderen, während Nummer drei weiß: "Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier." Die Aufgabe lautet: Betätige die Geräte in der richtigen Reihenfolge – und die Besucher drücken fröhlich auf die Talker genannten Kommunikationshilfen.

Moderne Technik hilft

Elecok heißt diese moderne Möglichkeit, Schüler zu fördern, die nicht oder nur mit Mühe sprechen können. "Wir lehren die Schüler den Umgang mit Sprachausgabegeräten und Ansteuerungshilfen", erklärt die Leiterin der Elecok-Beratungsstelle in der Förderschule, Martina Drexler. Symbole werden mit Textbausteinen verknüpft, Knöpfe stehen für Funktionen. Elecok unterstützt auch motorisch beeinträchtigte Menschen beim Kommunizieren. Das demonstriert der kleine Martin: Er steuert gekonnt mit Knopfdrücken einen Spielzeugkran. Die Farben geben die Richtung vor.

In der Vorschuleinrichtung dürfen die Besucher ihre Sensibilität testen: Düfte sollen zugeordnet und Geräusche wie das knackender Nüsse erkannt werden. In den Förder- und Diagnoseklassen, wo Kinder mit Entwicklungsverzögerung die Inhalte von zwei Jahren in dreien vermittelt bekommen, wird an diesem Tag der offenen Tür gebastelt. Im Erdgeschoss verweilen die Gäste an den schön dekorierten Ständen des Weihnachtsmarktes, in der Turnhalle versuchen sich Kinder mit und ohne Behinderung auf einem Rollstuhlparcours, und auch der schuleigene Chor, dirigiert von Gabriele Gabler, fördert die heitere Stimmung.

Bedrückung kenne man hier grundsätzlich keine, sagt Nicole Danz. "Die Kinder sind so fröhlich, trotz ihrer Handicaps. Und sie helfen einander auch immer so vorbildlich." Die Religionslehrerin glaubt ganz fest: "Bei uns wird mehr gelacht als in anderen Schulen."

Hunderte Besucher nutzen die Gelegenheit, die Förderschule zu besichtigen, deren Innenarchitektur überdies zu den gelungensten weithin zählen darf: Im klassizistischen Kavalier Elbracht geht harmonisch Altes in Neues und Neues in Altes über. Rollstuhlrampen führen an Bögen aus Steinquadern vorbei, unter den gewölbten Decken der ehemaligen Militäranlage steht modernes Unterrichtsmaterial en masse.

Ein guter Eindruck von den Möglichkeiten des Hauses sei auch deshalb wichtig, um Vorbehalte der Eltern zu entkräften, erklärt Harald Christmann, der stellvertretende Schulleiter. "Denn je früher die Kinder zu uns kommen, desto höher ist die Chance, dass sie auf eine Regelschule zurückkehren können." Hier ist das zentrale Ziel definiert: "Wir schauen, dass die Schüler bald den Absprung schaffen", so formuliert es die Ergotherapeutin Sabine Lind. Sie arbeitet in der heilpädagogischen Tagesstätte des Hauses und fördert Kinder ein bis zwei Stunden in der Woche einzeln.

Vielfalt sozialer Berufe

125 Kinder und Jugendliche besuchen die Schule derzeit. Christmann sieht in der Vielfalt der sozialen Berufe eine besondere Stärke: Sonderschullehrer, Ergotherapeuten, Logopäden, Sozialpädagogen, Kinderpflegerinnen, Physiotherapeuten, Krankenschwestern – alle arbeiten einander unter einem Dach zu.

Ferner beobachtet und diagnostiziert der Mobile Sonderpädagogische Dienst zahlreiche Kinder an anderen Schulen, informiert die Eltern über das Behinderungsbild und Fördermaßnahmen. Hier lautet ebenfalls das erste Ziel: So früh wie möglich die Integration in eine Regelschule schaffen.

Das erzieherische Wirken gilt allerdings auch Kindern ohne Behinderung und deren Eltern. Gabriele Gabler, verantwortlich für den Mobilen Dienst, erklärt: "Wir wollen zugleich das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Förderung auch ihre Grenzen hat, und so an Regelschulen die Akzeptanz von beeinträchtigten Kindern stärken."

Marco Schneck hat die Förderschule schon lang absolviert, aber er kehrt gerne zurück. Mit seinen Eltern Sonja und Roland unterstützt er hier seit vier Jahren Jugendliche bei der Berufsorientierung: Gemeinsam stellen sie kunstvolle Untersetzer aus Holz her und verkaufen sie zum Selbstkostenpreis. "Damit trainieren wir unter anderem die Fähigkeit, länger konzentriert arbeiten zu können", erklären die Schnecks. 37 Schüler haben bereits davon profitiert – ein schönes Vorbild für gegenseitige Unterstützung zwischen Schule und Öffentlichkeit.