Ingolstadt
Die etwas anderen Metaller

Christliche Gewerkschaft Metall bei Audi: Vier Betriebsräte haben gut zu tun

01.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:55 Uhr

Audi-Betriebsräte der CGM: Rudolf Heil, Hans Schalk, Roswitha Brettschneider und Franz Barth (von links) sind in der laufenden Wahlperiode die Ansprechpartner der Belegschaft seitens der kleineren Metallergewerkschaft. Rechts CGM-Bezirksgeschaftsführer Karsten Ristow aus Augsburg - Foto: Heimerl

Ingolstadt (DK) Von 55 Betriebsräten im Ingolstädter Audi-Werk stellen sie nur vier, doch auch ihre Arbeit für die Kolleginnen und Kollegen kann sich sehen lassen: Die Vertreter der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) sind für viele Beschäftigte beim Autohersteller eine feste Größe.

Die öffentliche Bedeutung und das politische Gewicht des „großen Bruders“ IG Metall werden sie wahrscheinlich nie erreichen, doch verstecken wollen und müssen sich die Arbeitnehmervertreter der CGM bei Audi wahrlich nicht. Wer sie in ihrem Büro im Betriebsratstrakt nahe der Audi-BKK an der Ettinger Straße besucht, muss schon Glück haben, sie mal allesamt um einen Tisch versammeln zu können. Meistens muss einer (oder eine) aus ihrem Kreis kurz unterbrechen, weil wieder jemand in Arbeitsmontur vorbeischaut und etwas auf dem Herzen hat. Nichts Außergewöhnliches meistens, aber in einem Betrieb mit fast 40 000 Mitarbeitern sind auch die Problemchen und Wünsche entsprechend vielfältig.

Hier wird nichts besprochen oder bereinigt, was nicht auch die 49 IG-Metall-Leute oder die zwei unabhängigen Belegschaftsvertreter im Audi-Betriebsrat regeln könnten. Doch die CGM hat unter den Audianern über viele Jahre gewachsene Verbindungen in praktisch alle Abteilungen. Mancher will eben sein Anliegen bei der CGM vorbringen – aus Gewohnheit oder Vertrautheit vielleicht, wer weiß das schon immer.

Rund 1000 Mitglieder hat die kleine Metallergewerkschaft bei Audi – schon eine durchaus vorzeigbare Größenordnung. Dass derzeit vier Betriebsräte gestellt werden (vor etlichen Jahren waren es in der Spitze schon einmal neun), zeigt allerdings, dass man im Betrieb stets auch Wähler über den eigenen Kreis hinaus gewinnen kann. Und es ist nicht nur ein „Mitnahmeeffekt“ angesichts der bei Audi fraglos vorhandenen großen Stimmmasse, der sich da bemerkbar machen könnte. Im Handwerk mit seinen vielen Kleinbetrieben sei man sogar in Relation stärker aufgestellt als in den Großunternehmen, sagt Bezirksgeschäftsführer Karsten Ristow, der von Augsburg aus auch den (durch Audi besonders starken) Standort Ingolstadt mitbetreut.

Hat das „C“ im Namen viel zu bedeuten? Die christlichen Metaller sehen sich nicht als Kirchenorganisation oder allein christlich orientierten Arbeitnehmern verpflichtet, wohl aber dem christlichen Menschenbild. „Uns geht es mehr um den Umgang mit den Menschen“, verdeutlicht CGM-Betriebsrätin Roswitha Brettschneider, „unsere Zusammenarbeit ist auf Vertrauen aufgebaut – das steht bei uns im Vordergrund.“ Nicht, dass sie das den Kollegen von der IG Metall absprechen möchte – aber: „Je größer eine Gewerkschaft ist, desto weniger kann sie doch auf den Einzelnen eingehen.“

Und dennoch will die CGM keine Klientelpolitik betreiben. „Wir wollen natürlich für alle da sein; unsere Tür steht offen für alle“, beteuert deshalb Franz Barth, Listenführer bei der jüngsten Betriebsratswahl und ebenso wie Hans Schalk, der zugleich bayerischer CGM-Landesvorsitzender ist, seit zwölf Jahren im Betriebsrat. Eine scharfe Trennlinie zur IG Metall will man in den Sachthemen und im Einsatz für die Belegschaft keinesfalls ziehen. Im Gegenteil: Obwohl es vor rund 20 Jahren auf Bundesebene mal mächtig zwischen den beiden Gewerkschaften geknirscht hat (siehe Kasten unten), gibt es Respekt für die Kollegen von der großen Betriebsratsfraktion: „Peter Mosch macht eine gute Arbeit, wir kommen gut miteinander zurecht und finden uns auch bei allen großen Themen wieder“, betont Barth. Kollegin Brettschneider lobt insbesondere den stellvertretenden Betriebsratschef Max Wäcker, ebenfalls von der IG Metall: „Er hat so ein großes Wissen im Arbeitsrecht; ich bin gespannt, wie es eines Tages ohne ihn weitergehen wird.“ Dass man sich in den Arbeitsgruppen und Ausschüssen mit der großen IG Metall gemeinsam Gedanken über ein Fortkommen bei allen wichtigen Themen im Konzern macht, dass man vor dem Kontakt mit dem Arbeitgeber untereinander Vorgespräche führt – alles Punkte, die für ein Miteinander der beiden ungleichen Blöcke sprechen.

Schwerpunkte der eigenen Arbeit im Betriebsrat? Sicher nicht völlig anders als bei den Nachbarn von der IG Metall. Die neue abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren, sagen die CGM-Vertreter, ist ein großes Thema, vor allem die gar nicht so selten gewünschte Umwandlung von bereits abgeschlossenen Verträgen nach dem betriebsinternen Altersteilzeitmodell. Auch in der Behindertenintegration werde viel versucht und auch erreicht, erklären die CGM-Betriebsräte. Da sei Audi in den vergangenen Jahren sehr entgegenkommend geworden, sagt Roswitha Brettschneider.

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen die CGM-Funktionäre die schon erkennbaren politischen Entwicklungen rund ums Tarifrecht vor dem Hintergrund des schwelenden Konflikts bei der Bahn. Dass kleine Interessenvertretungen wie die Lokführergesellschaft GDL über eine vom Gesetzgeber erzwungene branchenspezifische Tarifeinheit an die Kette gelegt werden könnten, kann den christlichen Metallern nicht geheuer sein.

Hans Schalk pocht deshalb auf Eigenständigkeit und das Recht zu eigenen Lohn- und Strukturforderungen auch für die Kleinen. „Wir haben immer eigene Ideen eingebracht“, sagt er und nennt als Beispiel die jahrelange Forderung der CGM nach Gewinnbeteiligungen in den Unternehmen. Ein „ureigenes Thema“ seiner Gewerkschaft sei das lange gewesen – jetzt sei man bei Audi damit sehr weit gekommen. Dass man soeben in der eigenen Tarifkommission für die kommende Lohnrunde 5,8 Prozent mehr Entgelt gefordert hat, weist die christlichen Gewerkschafter ebenfalls als durchaus selbstbewusste Tarifpartner aus: Da bringen sie nun also sogar 0,3 Prozent mehr auf den Verhandlungstisch als die große IG Metall.