Ingolstadt
Die Unfriedslinde

15.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:48 Uhr
Stationen im Leben eines Baumes. Die Linde am Münster wurde versetzt - was nun einigen Ärger nach sich zieht −Foto: Stautner/Hauser/oh

Ingolstadt (DK) Die Linde ist in Deutschland kein gewöhnlicher Baum, sie hat eine vielfach symbolische Bedeutung, von der Gerichtslinde über die Tanz- bis zur Friedenslinde. Und sie ist der Symbolbaum des Bundes Naturschutz. Deshalb wunderten sich Klaus Wittmann und Georgine Müller am 20. März sehr.

In der DK-Ausgabe dieses Tages entdeckten der Vorsitzende und die Geschäftsführerin der BN-Kreisgruppe eine schwebende Linde. Zu sehen war, wie ein Spezialfahrzeug mittels Rundspatenmaschine vor dem Münster einen stattlichen Baum ausgrub, in die Höhe hob und ein Stück weit an der Nordseite der Kirche versetzte. „Das ist doch unsere Linde!“, schoss es Müller durch den Kopf. Sie rief das städtische Gartenamt an und bekam die Auskunft: „Der Baum musste leider weg.“

„Unsere“ Linde, das stimmt nur insofern, als der Bund Naturschutz aus Anlass seines 75-jährigen Bestehens der Stadt vor 26 Jahren den Baum geschenkt hatte. Immer zu seinen runden Geburtstagen macht der BN mit einer solchen Aktion auf sein Anliegen aufmerksam. „Das war schon damals eine mächtige Linde“, versichert Vorsitzender Wittmann. Als die BN-Leute ihn am Münster – „auch in Erinnerung an die historische Bedeutung des Platzes“ – pflanzten, dürfte er bereits rund 25 Jahre alt gewesen sein.

Nicht umsonst ist die Linde der Wappenbaum des Bundes Naturschutz. „Sie ist ein Symbol dafür, dass auch aus altem Holz etwas Neues entsteht. Ich kenne keinen Baum, der sich so regeneriert.“ Für Wittmann ist die Linde deshalb „ein Symbol unserer nachhaltigen Arbeit“. Neben dem Münster war sie aber noch mehr. Der Naturschützer erinnert daran, dass früher größere Linden an dieser Stelle standen, die als Schattenspender dienten. Nachdem die Bäume fehlten, seien Schäden am wertvollen Hochaltarbild von Hans Mielich aus dem Jahr 1572 aufgetreten.

Als die Stadt vor vier Wochen die BN-Linde und einen zweiten Baum versetzen ließ, begründete sie die Aktion mit der bevorstehenden Neugestaltung des Platzes rund um das Münster. Künftig sollten die alten Friedhofswege wieder sichtbar gemacht werden, hieß es.

Die Naturschützer vermissen jedoch den „Respekt vor einem Baum“, der offenbar in den Augen der Landschaftsplaner nur als reine Verfügungsmasse dient, wie Georgine Müller beklagt. Hätte man nicht auch umgekehrt vorgehen können? „Ja, da steht ein Baum, der ist erst einmal gesetzt.“ Auch wenn das Gartenamt beteuert habe, die Linde sei „in guten Händen“, hätten Müller und Wittmann sich mehr Sensibilität von den Planern gewünscht. „Ganz abgesehen von den Kosten.“