Ingolstadt
"Die SPD fällt als Opposition aus, und die Grünen biedern sich an"

Die Ausschussgemeinschaft aus Linkspartei und Bürgergemeinschaft sieht sich als "einzige echte kritische Stimme" im Stadtrat

16.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:14 Uhr

Sie sind jetzt Genossen: (von links) Jürgen Siebicke (Linke), Christian Lange und Georg Niedermeier (Bürgergemeinschaft). Die 100-Tage-Bilanz der Ausschussgemeinschaft fällt angriffslustig aus. - Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Sie verstehen sich „richtig gut“, sagen sie. Außer sonntags. Da gehen die Ansichten auseinander. Die Stadträte der Bürgergemeinschaft Ingolstadt (BGI), Christian Lange und Georg Niedermeier, wollen einige verkaufsoffene Sonntage im Jahr, die Stadtratsmitglieder der Linkspartei, Ulrike Hodek und Jürgen Siebicke, wollen das nicht (so wie die Mehrheit des Rats). Doch BGI und Linke verstehen sich als Ausschuss- und nicht etwa als Glaubensgemeinschaft; da müssen gegensätzliche Positionen immer drin sein.

„Wir arbeiten zu 90 Prozent thematisch zusammen und ergänzen uns dabei wirklich gut“, resümiert Siebicke 100 Tage, nachdem Ulrike Hodek und er das Bündnis mit den Debütanten der BGI geschlossen haben. Lange und Neumeier sehen das genauso: „Wir legen Wert darauf, dass die Mandate wirklich frei sind, und jeder so frei ist, auch einmal nicht mit den anderen zu stimmen.“ Beide Seiten hätten „viel voneinander gelernt“. Die Stärke der Linken „liegt vor allem bei den sozialen Themen“, sagt Lange. „Und wir richten den Fokus besonders auf die Stadtentwicklung. Georg Niedermeier ist Experte für Verkehr, und ich als Anwalt habe ein Auge auf das Baurecht und schaue, was im Baureferat alles so passiert.“

Es war nicht unbedingt zu erwarten, dass der links profilierte Siebicke und der ehemalige CSUler Lange als Genossen zusammenfinden. Das gilt auch für die politischen Gegner. „Mit unserer Ausschussgemeinschaft hat keiner gerechnet“, erzählt Siebicke. Doch die etablierten Parteien würden sie schon kennenlernen. Denn Linke und BGI verstehen sich „als einzige echte kritische Stimme im Stadtrat“. Siebicke formuliert es in der ihm eigenen Offensivlaune: „Die SPD fällt als Opposition aus, und die Grünen biedern sich an!“

Und dann erst die richtigen Gegner. „Man meidet uns“, sagt Lange. Doch es komme noch schlimmer: Der BGI-Sprecher unterstellt „eine Systematik, um uns rauszuhalten – und das ärgert uns“. So werde in der Runde der Fraktionschefs vieles mit wichtigen Fakten schon vorab besprochen, „und wir erfahren nichts davon!“. Der ÖDP und der FDP gehe es übrigens nicht anders. „Wir haben auch den Antrag gestellt, die Finanzierung der Ausschussgemeinschaften und der Fraktionen neu zu verteilen, um die Bevorzugung der Großen zu beenden“, berichtet Lange. „Aber seit vier Monaten haben wir von der Verwaltung nichts mehr dazu gehört.“ Oder die städtische Gesellschaft IFG: „Wenn ich eine Anfrage stelle, erhalte ich oft keine Antwort, und der Geschäftsführer erklärt mir, dass dafür ein Beschluss des IFG-Verwaltungsrats nötig sei – dabei bin ich da selber Mitglied!“, klagt Lange. „So viel zum Thema Transparenz.“

Dieser Satz erklingt in der 100-Tage-Bilanz der Ausschussgemeinschaft wie ein Refrain. Und dazwischen: viele kritische Anmerkungen. „Ausgerechnet in einer der schwierigsten Phasen der Baupolitik, bei anhaltender Wohnungsnot, steht die Stadt ohne einen Baureferenten da!“, klagt Siebicke. „Wir erkennen auch keine Ideen dafür, wie sich die Stadt in den nächsten Jahrzehnten entwickeln soll.“ Dann der Diskurs zur Aufwertung der Innenstadt: „Nur Stückwerk! Da wird über jeden Blumenkübel einzeln debattiert, und der OB geht spazieren, aber einen Masterplan hat niemand. Man darf aber über den Rathausplatz nicht losgelöst diskutieren!“ Am Rande: „Was ist eigentlich aus der dritten Runde der Bürgerbeteiligung zur Zukunft des Georgianums geworden? Dazu gibt es einen Stadtratsbeschluss!“

Das Positionspapier des Viererbündnisses geht eine ganze Weile so weiter. Aber die Wahlperiode ist ja noch jung.