Ingolstadt
Die Mega-Pleite

Ernst Willner lieferte einen beispiellosen Anlageskandal in der Ölbranche jetzt starb der Ingenieur

04.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (reh/mw) Ein Skandal von gigantischem Ausmaß erschütterte Anfang der 1980er die bayerische Wirtschaft. Und mittendrin in der Affäre um riesigen Anlagebetrug im Ölgeschäft steckte damals der Ingolstädter Finanzmakler Ernst Willner, der sich vorher als Reederei-Gründer als "bayerischer Onassis" feiern lassen konnte. Seine Mega Petrol wurde aber zur gewaltigen Pleite und zum Politikum. Jetzt ist Willner im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein letzter Blick zurück in turbulente Zeiten.

Die Vorgeschichte ist lang und kompliziert und reicht bis ins Jahr 1978. Zusammenfassen lässt sie sich etwa so: Ein paar clevere Manager sammelten Geld, um in den USA und Kanada nach Öl zu bohren. Fast 2000 Bundesbürger, die gerne ihr Bares vermehren wollten, kratzten aus ihren Ersparnissen über eine Viertelmilliarde Mark zusammen und beteiligten sich an Fonds, die sagenhafte Renditen von bis zu 25 Prozent versprachen. Geworben wurde - unter anderem in professionell aufgezogenen Verkaufsshows - mit dem (zumindest damals noch) guten Namen der Bayerischen Landesbank.

Wer kein Geld zum Einzahlen hatte, bekam von der halbstaatlichen Landesbank Kredit. Angeblich 52 Millionen Mark gingen in derartige "Luftfinanzierungen". Als die Mega Petrol kriselte, wurden im Schneeballsystem mit einem Fonds nach dem anderen die Finanzlöcher aus den früheren Einlagen gestopft. Anfang der 80er Jahre brachen sämtliche Gesellschaften zusammen. 1986 wurden sie aufgelöst.

Damals war die Megapleite der Mega Petrol wegen der zweifelhaften Beteiligung der Landesbank längst ein Politikum geworden. Ein Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags kam mit CSU-Mehrheit aber zu dem Ergebnis, dass Politiker und staatliche Stellen nicht weiter schuldhaft verwickelt waren. 1996 kam ein weiterer parlamentarischer Untersuchungsausschuss ebenfalls zu der Erkenntnis, dass der zwischenzeitliche Ministerpräsident Max Streibl eine weiße Weste hatte. Als vorheriger Verwaltungsratschef der Landesbank ließ er sich auch als werbewirksames Aushängeschild und Festredner von der Pleitefirma anheuern.

Die Gerichte waren weit weniger mild mit den Staatsinstitutionen. 1993 wurde die Landesbank "wegen Beihilfe zur sittenwidrigen Schädigung" verurteilt und musste den Anlegern Schandenersatz zahlen. Sie hatte Mega Petrol auch dann noch mit Millionen unterstützt gehabt, als längst klar war, dass die Traumrenditen des Ölbohrunternehmens nicht mit Öl, sondern mit dem Geld neuer Anleger gemacht wurde.

Hauptakteure der aufsehenerregenden Affäre waren die beiden Ingolstädter Unternehmer Ernst Willner und Karl Schleicher. Ingenieur Willner war Spross der gleichnamigen Ingolstädter Unternehmerfamilie, in deren Besitz sich unter anderem das größte Autohaus der Region befand, das vor etwas mehr als zehn Jahre insolvent ging.

Willner wurde als "Bayerns Onassis" bekannt, als er in den siebziger Jahren die Cosima-Reederei etablierte. Doch die geriet ins Schlingern. Parallel wollte er sich wie "J.R." einen Hauch von "Dallas" und das entsprechend Großkapital der nordamerikanischen Ölmultis holen. 1978 gründete Willner die erste Mega-Petrol-Gesellschaft für Explorationsarbeiten in Kanada. Vier weitere folgten. Alles brach krachend zusammen. Wie gesagt: Rund 2000 Geschädigte blieben auf geschätzt rund 270 Millionen Mark sitzen.

Karl Schleicher gilt als die "graue Eminenz" in der Affäre. Der langjährige Inhaber des Ingolstädter Textilunternehmens Rosner (bis 2005) hatte nach eigenen Aussagen vor Gericht 130 Millionen Mark in Mega Petrol gesteckt. Schleicher wurde 1990 zu 21 Monaten Gefängnis auf Bewährung und einer Million Mark Geldstrafe verurteilt. Außerdem klagten 53 Geschädigte zwei Jahre später im bis dato größten Zivilprozess in Ingolstadt gegen den Hosenfabrikanten. Schleicher wurde zur Zahlung von fünf Millionen Mark verdonnert, was der prompt erledigte.

Mit seinem früheren Kompagnon Willner hatte er sich schon zerstritten gehabt, als die Mega Petrol abzuschmieren begann. Willner erwischte es als Gründer strafrechtlich weit heftiger. Der Ingenieur wurde im Juni 1987 wegen "fortgesetzten Betruges" zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft verbüßte er zwei Drittel der Strafe in Stadelheim und kam im Januar 1989 wieder auf freien Fuß. Nach einer Zeit in Österreich kehrte er Anfang 1994 nach Ingolstadt zurück. Noch einmal tauchte sein Name damals öffentlich auf, als er über den DONAUKURIER ankündigte, er wolle "die ganze Sache noch einmal aufrollen und eine Bombe platzen lassen". Danach verschwand er aber komplett aus der Öffentlichkeit.

Am 22. Januar 2016 ist Ingenieur Ernst Willner mit 78 Jahren nun gestorben. Die Trauerfeier fand in Bad Wiessee statt. Seine engste Familie spricht in der Todesanzeige von "unerfülltem und teilweise schwerem Leben". Außerdem steht dort geschrieben: "Verurteile niemanden, bevor Du nicht in seiner Lage warst."