Ingolstadt
Die Kindertage der stählernen Ungeheuer

Ingolstädter Historiker Thomas Müller präsentiert Buch über einmalige bayerische Panzerkompanie des Ersten Weltkriegs

13.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:13 Uhr

Britische Panzer mit bayerischer Besatzung: Eines der zahlreichen Fotos, mit denen der Ingolstädter Historiker Thomas Müller sein Buch über die bayerische Sturm-Panzer-Kraftwagen-Abteilung 13 im Ersten Weltkrieg illustriert hat. Die erbeuteten Tanks waren von der Bayerischen Armee technisch aufbereitet worden.

Ingolstadt (DK) Rasselnde Ungetüme aus Stahl wühlten sich durch Stacheldrahtverhaue und spien Feuer. Oft genug blieben sie allerdings in Gräben hängen oder im Schlamm stecken, schmissen ihre Ketten ab und wurden dann leicht Opfer hämmernder Artilleriesalven.

Die ersten Panzerkampfwagen, britisch als Tanks bezeichnet, tauchten im Laufe des Jahres 1916 auf den französischen Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs auf. Es war der Beginn einer militärischen Zeitenwende, die den Verlauf dieses Konfliktes zwar nicht mehr maßgeblich beeinflusst hat, dafür aber weit ausstrahlen sollte auf die Bewegungskriege der nachfolgenden Jahrzehnte. Die Panzerwaffe ist bis heute das Rückgrat aller modernen Landstreitkräfte.

Rechtzeitig zum 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs wird von dem Ingolstädter Historiker Thomas Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bayerischen Armeemuseum, jetzt an eine Besonderheit erinnert, die das Auftauchen der ersten Panzer mit der Bayerischen Armee verbindet: Die königlichen Soldaten bildeten nämlich – was kaum noch bekannt gewesen sein dürfte – Anfang 1918 eine eigene Panzertruppe mit erbeuteten britischen Tanks des damals gängigsten Typs „Mark IV“. Die Geschichte der „Bayerischen Sturm-Panzer-Kampfwagen-Abteilung 13“ wird von Thomas Müller auf rund 140 Seiten ausgebreitet und ist mit bislang selten bis nie veröffentlichtem Fotomaterial illustriert.

Die deutsche Heeresführung hatte die Bedeutung der neuen Kampfwagen unterschätzt und auch auf eigener Seite bestehende Pläne für diesen Waffentyp unzureichend unterstützt. Als die Briten dann ihre Tanks an die Front brachten und damit (aber auch nur allmählich) zu ersten taktischen Erfolgen kamen, hinkten die kaiserlichen Truppen technisch und stückzahlmäßig weit hinterher. Der erste und damals einzige deutsche Serienpanzer A7V kam bis Kriegsende gerade mal auf 30 Exemplare – während die Alliierten in den letzten Kriegsjahren rund 4000 Tanks einsetzen konnten.

Kein Wunder also, dass sich die deutschen Militärs in ihrem Materialnotstand dafür entschieden, Beutetanks aufzubereiten und eigenes Personal daran auszubilden. Ein offizieller Auftrag dazu erging im Januar 1918 von der Obersten Heeresleitung an den Chef des Feldkraftfahrwesens und letztlich über das bayerische Kriegsministerium an eine neu gegründete bayerische Einheit – eben die oben erwähnte Abteilung 13. Sie fungierte für die letzten Kriegsmonate praktisch als eigenständige Panzerkompanie.

Thomas Müllers Abriss der Geschichte dieser einmaligen bayerischen Truppe ist garniert mit Porträts einzelner Protagonisten jener Ursprungstage der deutschen Panzerwaffe und auch mit technischen Details. Die Schilderung der wenigen, tragisch endenden Kampfeinsätze an der Westfront und ihrer Begleitumstände verdeutlicht die taktischen Fehleinschätzungen aufseiten der Kommandeure ebenso wie die vielen technischen Unzulänglichkeiten und Kinderkrankheiten, die dem neuen Kriegsgerät anhafteten. Die erste deutsche Panzertruppe, so wird deutlich, war fast mehr mit sich selbst als mit dem Feind beschäftigt. Echte Pionierzeiten eben.

Thomas Müller: Die Bayerische Sturm-Panzer-Kraftwagen-Abteilung 13, erschienen in Scherzers Militaer-Verlag, Bayreuth, 138 Seiten, 54 Euro.