Ingolstadt
Die Erben der Heroinmafia

02.04.2010 | Stand 03.12.2020, 4:08 Uhr

Ingolstadt (reh) Just vor den Osterfeiertagen hat am Landgericht Ingolstadt der nächste große Drogenprozess begonnen. Angeklagt sind zwei Frauen und zwei Männer, zwischen 27- und 32 Jahre alt, die offenbar in die Lücke der Ingolstädter Rauschgiftszene stoßen wollten, die von der Heroinmafia hinterlassen worden war. Diese Bande mit mindestens elf Mitgliedern hatte die Polizei nach vielen Monaten Ermittlung im November 2007 auffliegen lassen. Die Hintermänner Nikolaus H. und Erhard L. sind in der Folge zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Der neue Drogenring soll aus dem Dunstkreis der ersten Bande stammen, die Mitglieder sind gewissermaßen die Erben der Heroinmafia. Wieder sind Russlanddeutsche beteiligt. Die Hinterleute sollen dieses Mal die beiden Frauen Tanja H. (30) und Irene G. (29) sein, die mit Albert S. (32) und Audrius V. (27) im Frühsommer des vorigen Jahres aktiv waren. Zwischen Mai und Juli gab es laut Anklage mindestens sechs Drogenfahrten nach Holland, von denen verschiedene Mitglieder jeweils um die 300 Gramm Heroin nach Ingolstadt mitbrachten. Diese wurden – organisiert wie bei der Heroinmafia – portioniert und zu je fünf Gramm für 500 Euro an Zwischenhändler und andere Kunden abgesetzt. Durch den schwunghaften Handel mit der harten Droge sollen um die 200 000 Euro zusammengekommen sein.

Wie die Ermittler der Bande auf die Schliche gekommen sind, wollte Staatsanwalt Robert Pohle beim Auftakt noch nicht sagen. Monatelange Überwachung war aber wohl nötig. Der Prozess startet ohnehin erst am nächsten Freitag richtig, wenn die ersten Beweise auf den Tisch kommen. Landgerichtsvizepräsident Paul Weingartner, der die 1. Strafkammer leitet, fragte die Angeklagten routinemäßig, ob sie sich äußern werden: "Will jemand was sagen" Bisher eher nicht, antworteten die Anwälte einstimmig.

Der 1. Strafkammer steht somit ein zäher Prozess bevor. Elf Verhandlungstage sind angesetzt. 25 Zeugen und sieben Sachverständige sollen gehört werden. Dazu liegen unzählige Bänder der Telefonüberwachung vor, die angehört, übersetzt und dann analysiert werden müssten. Weingartner kennt das Prozedere aus dem Prozess gegen ein Mitglied der ersten Heroinmafia, den 23-jährigen Andreas F. "Da haben wir uns die Bänder tagelang angehört. Das hat sich als ganz schwerer Schuss nach hinten für den Angeklagten herausgestellt. Wir haben da Dinge in neuem Kontext bewerten können", warnte Weingartner die Anwälte vor einer ähnlichen Taktik. Andreas F. war vor exakt einem Jahr zu sieben Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Es hätte weit weniger sein können, wenn der junge Mann wie alle anderen aus der Bande ausgepackt hätte.

Ob Weingartners Signal bein den Angeklagten dieses Mal angekommen ist, wird sich am Freitag zeigen.