Ingolstadt
Die Disco-Familie soll es richten

Paten für Flüchtlinge im Amadeus

15.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:18 Uhr

Sucht Mitstreiter und findet sie im Amadeus-Café auch: Wirt Martin Tomiak (grünes T-Shirt) stellte jetzt als Alternative für das umstrittene Einlassverbot sein Patenprogramm für Flüchtlinge vor. Der Afrikaverein und auch verschiedene Lokalpolitiker können sich mit dieser Idee anfreunden - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Die Diskussion um das Discoverbot im Amadeus ist zurück auf der sachlichen Ebene. Wirt Martin Tomiak erhält Unterstützung für seinen Plan, ein Patenprojekt für die Flüchtlinge umzusetzen. Doch die großen Fragen lassen sich dadurch natürlich nicht lösen.

„Ich bin der Martin, ich bin seit 26 Jahren hier.“ Was unfreiwillig ein bisschen nach der Vorstellung in einer Selbsthilfegruppe klang, konnte man tatsächlich als eine solche Runde werten. Martin Tomiak, seit 26 Jahren Chef in der Disco Amadeus, suchte am Abend des Vatertags Mitstreiter für sein Projekt – und weniger die Gelegenheit, noch einmal ausführlich über sein Hausverbot für Flüchtlinge zu diskutieren.

Das möchte er gerne aufheben. Er setzt auf die „Amadeus-Familie“, die ihn bei der Patenidee, wie sich an dem Abend irgendwann herauskristallisierte, auch unterstützt. Der Plan ist, dass Cliquen, zum Beispiel aus Stammgästen, mit Flüchtlingen in ihrer Mitte zum Feiern gehen. Den Anstoß hat Tomiak aus Rosenheim bekommen, wo sich Ehrenamtliche auf diese Art engagieren. Nun soll das aber nicht in eine umfassende Überwachung wie bei den „Rosenheim-Cops“ ausarten, sondern dem gegenseitigen Lerneffekt dienen. Einige der Themen: Nein, heiße bei deutschen Frauen nun mal nein. Und einfach anlangen sei auch tabu. Bisher fruchtete nicht, was Tomiak, wie er sagte, den fremden Gästen an der Tür erklärt hatte. Es gab trotzdem Belästigungen. „Ich habe im letzten halben Jahr noch nie so viele weinende Mädchen hier gesehen“, sagte der Wirt. Bekanntlich ließ er seit einigen Wochen keine Flüchtlinge mehr rein, was ihm unfreiwillige öffentliche Aufmerksamkeit und einen – inzwischen weitgehend abgeebbten – „Shitstorm“ brachte. Aber auch einige Unterstützernachrichten.

Darum ging es am Donnerstagabend im Kern aber gar nicht mehr. Obwohl die Veranstaltung im voll besetzten Amadeus-Café zwischenzeitlich schon in die Grundsatzdiskussion abzugleiten drohte, wie sie einige der (vor allem politisch angehauchten) Besucher wollten. Obwohl die grundsätzliche Flüchtlingsdebatte an einem Ort wie dem Amadeus sicher nicht gelöst werden könne, wie es mehrfach hieß.

Tomiak ging es um konkretes Handeln: „Ich suche Leute, die mich unterstützen.“ Dafür bekam er auch die Rückendeckung des Afrikavereins, dessen Vertreter sein vorübergehendes Einlassverbot zwar heftig tadelten, aber doch lobten, dass er „als einer der wenigen“ überhaupt etwas tun wolle und tue, wie der langjährige Vereinschef Matthew Ugwuoke sagte.

Aber wie kommt man an die Flüchtlinge ran? „Blöde Sache – wir reden hier schon wieder über Leute, nicht mit den Leuten“, sagte Tomiak. Einer, der mit Asylbewerbern in Kontakt stand, war Stadtrat Henry Okorafor, der ausführlich von einem Gespräch in einer der dezentralen Unterkünfte an der Nürnberger Straße berichtete. Seine Worte versinnbildlichten die Schwierigkeiten. Die Asylbewerber dort wollten laut Okorafor einen Demonstrationszug aufziehen und forderten eine Entschuldigung vom Discobetreiber für das generelle Hausverbot. „Das kann ich gerne machen“, erklärte Tomiak. „Weil die haben ja nichts hier gemacht, die waren gar nicht hier.“ Ob sie es waren oder nicht, „das lässt sich nicht herausfinden, das spielt hier auch keine Rolle mehr“, schaltete sich Lydia Halbhuber-Gassner ein. „Der Martin, wir alle müssen nach vorne schauen.“ Für das Discopaten-Projekt will sie eine Facebook-Gruppe aufbauen. Um die konkrete Patenidee auch voranzutreiben, drängten Stadtrat Christian Höbusch und andere auf einen festen Termin. Tomiak solle dabei das „Projekt als Keimzelle“ sehen, „und dann schauen, ob es geht oder nicht“. Entsprechend könnten und sollten sich andere Wirte später daran beteiligen. Englwirt-Wirt Sascha Lachner sagte schon zu.

Am Pfingstmontag um 20 Uhr soll im Amadeus-Café das erste Treffen aller interessierten Paten und von Flüchtlingen steigen. Der Afrikaverein vermittelt.