Ingolstadt
"Die Ausstellung soll wachrütteln"

Reizthema Minijob: Nadine Seipelt von der Agentur für Arbeit beantwortet im Interview Fragen

22.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:26 Uhr

Der Minijob - eine Erfolgsgeschichte? Dieser und anderen Fragen geht die Ausstellung "Minijob? Da geht noch mehr" nach, zu der Anja Assenbaum (v. l.), Isfried Fischer, Peter Kundinger und Nadine Seipelt bis kommenden Freitag ins Soziale Rathaus einladen. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Aktuell arbeiten laut Bundesagentur für Arbeit in Deutschland rund 7,4 Millionen Menschen in einem Minijob - zwei Drittel davon sind Frauen. Sie verdienen maximal 450 Euro im Monat, sind häufig nicht eigenständig krankenversichert und haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dazu kommt, dass viele aus Unkenntnis Nachteile in ihrem Arbeitsverhältnis in Kauf nehmen: Häufig wissen Arbeitgeber und Beschäftigte nicht, dass Minijobber den gleichen Anspruch auf Mindestlohn, bezahlten Urlaub oder geregelte Arbeitszeiten haben wie andere Beschäftigte auch.

Dem Thema Minijob widmet sich in dieser Woche eine Wanderausstellung, die bis morgen, Freitag, 24. März, im Sozialen Rathaus, Adolf-Kolping-Straße 10, während der Öffnungszeiten zu sehen ist.

Die Schau mit dem Titel "Minijob? Da geht noch mehr!" konzipierte die Bundesagentur für Arbeit. Ziel der Ausstellung ist es, Arbeitnehmer und Arbeitgeber über wichtige Fakten zum Thema Minijob zu informieren und Wege in die existenzsichernde Beschäftigung aufzuzeigen. Im DK-Interview klärt Nadine Seipelt, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit Ingolstadt, über die wichtigsten Aspekte rund um das Thema Minijob auf.

 

Frau Seipelt, was unterscheidet den Minijob von einem regulären Arbeitsverhältnis?

Nadine Seipelt: Der Minijob ist eine geringfügige Beschäftigung, bei der die Person nicht mehr als 450 Euro im Monat verdienen darf. Der Minijobber arbeitet meist regelmäßig, auf die wöchentliche Arbeitszeit und die Anzahl der monatlichen Einsätze kommt es nicht an. Dann gibt es noch das Thema kurzfristige Beschäftigung: Wichtig ist, dass der Minijobber in diesem Arbeitsverhältnis im Laufe eines Kalenderjahres nicht mehr als drei Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage arbeitet. Er ist hier nicht regelmäßig tätig, sondern nur gelegentlich - die Höhe des Verdienstes spielt keine Rolle.

 

Warum ist ein Minijob problematisch?

Seipelt: Grundsätzlich kann der Minijob eine gute Lösung sein, um den beruflichen Einstieg zu erleichtern. Auch für Schüler, Studenten und Rentner ist er eine Möglichkeit, die finanzielle Situation zu verbessern. Problematisch wird ein Minijob dann, wenn man davon seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Hinzu kommt die lange Verweildauer. Wer einmal im Minijob drin ist, bleibt oftmals dort fünf, zehn, 20 Jahre - und die Chance, dass man vom Minijob in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis übertritt, ist dann leider sehr gering. Man muss beim Minijob-Anstellungsverhältnis zusehen, schnellstmöglich wieder rauszukommen.

 

Was ist das Ziel der Ausstellung, die bis morgen im Sozialen Rathaus zu sehen ist?

Seipelt: Die Ausstellung soll die Besucher wachrütteln. Wir möchten die negativen und positiven Aspekte des Minijobs darstellen und bewusst machen, dass man den Minijob für den Berufseinstieg nutzen kann. Wichtig ist aber, dort nicht hängenzubleiben und sich zu vergegenwärtigen, dass man etwas für sich und seine Rente tun muss. Die Agentur für Arbeit möchte den Minijob nicht verteufeln und auch nicht beschönigen. Aber wir wollen wachrütteln, gerade weil der Minijob eine große Rolle bei der Altersarmut spielt.

 

Inwiefern kann der Minijob in die Altersarmut führen?

Seipelt: Wenn eine Frau 15 Jahre in einem Minijob arbeitet, verdient sie gerade einmal 70 Euro für den Rentenzuwachs. Das ist gar nichts. Rechnet man das auf ein Jahr hoch, bekommt sie gerade einmal 3,49 Euro als Rentenzuwachs. Das Problem ist, dass sich viele Frauen, die einen Minijob ausüben, durch ihren Partner finanziell gut abgesichert fühlen. Man darf aber nicht vergessen: Jede zweite Ehe in Deutschland wird geschieden oder der Partner stirbt - dann steht die Frau alleine da, mit einem Gehalt, das zum Leben nicht ausreicht. Viele denken aber leider nicht so weit. Gerade junge Menschen sind oftmals nicht gut genug informiert. Sie glauben, dass das Rentenalter noch weit weg ist.

 

Wie viele Minijobber gibt es in Ingolstadt und in der Region 10?

Seipelt: Uns liegen die Zahlen von Ingolstadt und von der Region 10 für das Jahr 2016 vor. In geringfügig entlohnter Beschäftigung haben wir in Ingolstadt insgesamt 12 423 Personen. Davon sind 62,5 Prozent Frauen. Ausschließlich geringfügig beschäftigt sind in Ingolstadt 7 173, wovon 4 946 Frauen sind. In der Region 10 gibt es insgesamt 47 608 geringfügig Beschäftigte, darunter 30 329 Frauen. Bei den ausschließlich geringfügig Beschäftigten sind es insgesamt 20 119 Frauen. Grundsätzlich ist es so, dass Deutschland europaweit das Land mit der größten Anzahl an Minijobbern ist. In der Bundesrepublik gibt es 7,4 Millionen Menschen, die in Minijobs beschäftigt sind, davon sind 4,86 Millionen ausschließlich in Minijobs. Von den 4,86 Millionen haben wir 2,6 Millionen, die im klassischen erwerbsfähigen Alter sind. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel, den wir haben, ist das ein immenses Potenzial, das es bei den Minijobbern gibt.

 

Das Gespräch führten Xenia Schmeizl und Tonja Thümler.