Ingolstadt
Dicke Luft, verschmutzte Luft und viel heiße Luft

Stadtrat diskutierte gründlich über sein eigenes Diskussionsverhalten und auch noch ein paar andere Dinge

22.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:54 Uhr

Protest vor dem Neuen Rathaus: Als Gesundheitsreferent Rupert Ebner (r.) gestern zur Stadtratssitzung ging, machten Mitglieder des Bayerischen Bauernverbands auf sich aufmerksam. Sie lehnen einen Nationalpark in den Donau-Auen ab. Einige Stadträte diskutierten kurz mit den Demonstranten. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Achim Werner war gestern an jenem heißen Tag im Stadtrat vermutlich der härteste Mann: Der SPD-Fraktionsvorsitzende behielt als Einziger das Jackett an. Bis zum Schluss. Gut, da hatte es schon wieder etwas abgekühlt, denn das war am fortgeschrittenen Abend. Alle anderen Herren harrten seit 13 Uhr im Hemde des Fortgangs der Dinge. Und da gab es viel zu harren.

Richtig viel.

Es ging auf 19 Uhr zu, als der auch nicht mehr ganz taufrische Thomas Thöne zu einem ausführlichen Machtwort wider die sich immer länger hinziehenden Sitzungen ansetzte. Und wer das vitale Mitteilungsgebaren zahlreicher Ingolstädter Stadträte kennt, war nicht überrascht, dass auch die Aussprache über die Beschleunigung der Aussprachen wieder ganz schön lange dauerte.

Vieles, über das man hier debattiere, gehöre in den Fachausschüssen entschieden, warf der ÖDP-Mann ein. "Das kann keiner wollen, dass die Sitzungen von 13 bis 22 Uhr gehen, und die Mitarbeiter der Verwaltung dadurch gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen!" Da war der OB freilich auf Thönes Seite. Christian Lösel gab gestern vehementer als sonst den Drängenden im streng demokratischen Rahmen. Die Anrede "Ich will Ihnen eine Brücke bauen. Ziehen Sie Ihren Antrag zurück" streute er ab Tagesordnungspunkt 5 (Sachanträge, 17 Unterpunkte, in Angriff genommen gegen 17 Uhr) auffällig oft in den Diskurs ein; aber eher ohne Erfolg. Die Redner zogen durch, was sie sich vorgenommen hatten. Alle. Alles.

"An mir liegt es nicht, dass es immer so lang dauert!", beteuerte Lösel. "Das Debatten- und Rederecht gehört im Stadtrat dazu. Auch bis 3 Uhr nachts, wenn es sein muss." Doch der Ältestenrat habe nun man beschlossen, dass alle wichtigen Entscheidungen in der Vollversammlung fallen müssten, weil nicht jedes Stadtratsmitglied Ausschüssen angehöre. Bürgermeister Albert Wittmann (CSU) sieht eine Mitschuld bei den neuen Medien: "Seit es den Livestream gibt, wird viel mehr diskutiert!" Man dürfe nicht über Dinge debattieren, die längst liefen. Erwiderung Dorothea Soffner (Unabhängige Demokraten Ingolstadts, kurz UDI): "Das ist Demokratie. Das müssen wir aushalten."

In diesem Sinne ging das gemeinsame Durchhalten weiter. 19 Uhr. Punkt 5.7. Abgasmessungen. Da brachte Thöne tatsächlich nur ein Wort heraus: "Fachausschuss!", ächzte er und eilte nach draußen.

 

Abgasmessungen:

Die BGI beantragt, die einzige Messstelle von der Rechbergstraße (beim Nordbahnhof) an eine Straße zu verlagern, die dichter befahren ist, um präzisere Ergebnisse zu erhalten. Zudem müsse es mehr Messstellen geben, Nürnberg und Augsburg hätten etwa drei, argumentierte Georg Niedermeier. Patricia Klein (CSU) entgegnete: Erstens seien die Messungen keine kommunale Aufgabe, und zweitens führten mehr Messpunkte nicht zu aussagekräftigeren Resultaten. Der Antrag wurde abgelehnt.

Zuvor hatte Gesundheitsreferent Rupert Ebner (Grüne) jedoch zusätzliche Messstellen als eine mögliche Maßnahme für weniger Schadstoffe in der Luft vorgeschlagen. Außerdem solle der zehn Jahre alte städtische Luftreinhalteplan fortgeschrieben werden. Es nahm wenig Wunder, dass es auch hier eine Menge auszudiskutieren gab.

 

Luftreinhaltung:

Dieses Thema ist besonders heikel, weil man da ganz schnell beim Dieselmotor ankommt. München diskutiert über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, die zu viel Stickoxid heraushauen, und in der Audi-Stadt schnappen Automobilschaffende ohnehin nach Luft, sobald jemand das böse Wort "Diesel" ausstößt.

So auch Wittmann, nachdem Werner unter anderem angeregt hatte, zum Ziele reinerer Luft den städtischen Fuhrpark auf das Schadstoffvolumen hin zu durchforsten. Die Ära der dieselgetriebenen Busse sei auf jeden Fall vorbei. Darauf ein Grollen von gegenüber: "Hören wir endlich auf, den Diesel kaputtzureden!", donnerte Wittmann. "Ich bin ein überzeugter Dieselfahrer, weil ein Diesel mit Euro-6-Norm am wirtschaftlichsten ist." Außerdem müsse die Ökobilanz stimmen. "Elektroautos ergeben keinen Sinn, so lange wir die Energie dafür mit Braunkohle erzeugen." Benziner würden wegen ihrer höheren CO2-Emission den Klimawandel anheizen, "und was das in Afrika für fürchterliche Folgen hat, danach fragt keiner!", kritisierte Wittmann.

Da modifizierte Werner (sein Arbeitgeber heißt Audi) den Antrag der SPD. Ganz klar: Moderne Dieselantriebe brauche man unbedingt, "schon, um die Klimavorgaben zu erfüllen". So global war der Stadtrat schon lange nicht mehr unterwegs.

Dabei lauere das Risiko überall, sagte Gerd Werding (UDI), auch vor der Haustür. Laut einer Studie würden jährlich ca. 60 000 Menschen in Deutschland wegen Feinstaubs früher sterben. "Das wird in der Diskussion völlig vernachlässigt!" Aber nicht mit ihm.

 

Barrieren in der Altstadt:

Die schöne Stadt Salzburg hat Reizvolles in Fülle zu bieten. Dass auch ausfahrbare Poller dazugehören, die nervende Autofahrer aussperren, wissen viele Laien gar nicht. Um dieses System im Einsatz zu besichtigen und dabei auch der Frage nachzuspüren, ob Fahrbahnschwellen nicht doch effektiver sind, fahren Stadträte laut OB Lösel im Oktober nach Salzburg. Am nächsten Tag geht es weiter in die Donau-Auen bei Wien.

Dort wird zumindest die Luft deutlich besser sein.

Weiterer Bericht folgt.