Ingolstadt
Der versäumte Schlussstrich

Haftstrafe für Stalker ergeht ausschließlich wegen anderer Delikte Freispruch in Sachen Nachstellung und Brandstiftung

29.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Ingolstadt (DK) Dieser Prozessverlauf hat auch den Richtern nicht gefallen. Vorsitzender Thomas Denz sprach am Freitag bei der Urteilsverkündung gegen einen sogenannten Stalker von einem "aus mehreren Gründen unbefriedigenden" Ergebnis der Verhandlung.

Der 26-jährige Mann aus dem Donaumoos muss zwar nach dem Spruch der 5. Strafkammer des Landgerichts für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis - keinesfalls aber als Strafe für seine laut Zeugenaussagen offenbar ganz erheblichen Nachstellungen und sonstigen Belästigungen, unter denen sein Opfer zu leiden hatte.

Der DK hat in den vergangenen Wochen mehrfach über den mehrtägigen Prozess berichtet. Der aus Ingolstadt stammende Mann hat der Anklage zufolge eine junge Frau aus Baar-Ebenhausen, mit der er zuvor einige Zeit liiert war, nach der Trennung über eineinhalb Jahre hinweg durch häufige Präsenz vor deren Wohnung und durch eine Unmenge von Whatsapp- und SMS-Botschaften belästigt.

Im Zuge dieser langen "Belagerung" war es dann zu etlichen strafrechtlich relevanten Weiterungen gekommen. Wegen mehrfachen Widerstands gegen Polizeibeamte und etlicher Körperverletzungen, Beleidigungen, Sachbeschädigungen und Nötigungen wurde nunmehr auch die (bereits rechtskräftige) Haftstrafe ausgesprochen. In den Punkten einer ebenfalls angeklagten Brandstiftung an einem Pkw und eben in allen Fällen der Nachstellung wurde der 26-Jährige allerdings freigesprochen.

Für eine Verurteilung wegen Brandstiftung fehlten dem Gericht schlüssige Beweise. In Sachen Nachstellung war der Strafkammer trotz klarer Aussagen des Opfers und des Belegs für die massenhaften Handybotschaften die Gesamtlage nicht eindeutig genug. Der Angeklagte und seine "Ex" hatten nämlich nach beiderseitiger Aussage nach der ersten Trennung eine sogenannte On-Off-Beziehung geführt. Die Frau, so Vorsitzender Denz in seiner Urteilsbegründung, habe es versäumt, den endgültigen Schlussstrich zu ziehen und ihrem vormaligen Liebhaber durch gelegentliches Einlenken immer wieder Hoffnungen auf eine Weiterführung der Beziehung gemacht. Damit habe sie "weiterhin Öl ins Feuer gegossen". Denz: "Der einzig wahre Cut ist der Nebenklägerin nicht gelungen." Deshalb sei letztlich eine Verurteilung wegen der Nachstellungen rechtlich nicht vertretbar gewesen.

Was die nachweisbaren Straftaten angeht, so billigte die Kammer dem vorbestraften 26-Jährigen mehrheitlich eine gewisse Einschränkung der Steuerungs- und damit der Schuldfähigkeit zu. Gutachter hatten dem Mann eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Anteilen attestiert. Das Gericht nahm also bei einigen Einzelstrafen eine Verschiebung des Strafrahmens nach unten vor. Für eine längerfristige Einweisung des Täters in die Psychiatrie, die zu Beginn des Verfahrens noch im Raum gestanden hatte, sah die Strafkammer wegen fehlender Hinweise auf eine durchgehende psychische Erkrankung keine Veranlassung.

Richter Denz riet dem Verurteilten, bei emotionalen Herausforderungen künftig endlich zu einem erwachseneren Verhalten zu kommen. Es sei offensichtlich, dass er seinerzeit mit der Trennungssituation nicht klargekommen sei. Letztlich habe es sich aber um eine Lage gehandelt, in der sich fast alle jungen Menschen früher oder später einmal befänden. Der junge Mann habe offensichtlich die falschen Mittel gefunden, damit umzugehen.