Ingolstadt
Das Handy wird zur Geldbörse

Mobilfunkunternehmen startet neues Bezahlsystem – doch die meisten setzen noch auf die EC-Karte

27.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Ausländische Gäste wundern sich, dass sie im Restaurant nicht mit Kreditkarte zahlen können. Wer die EC-Karte für Kaugummis zückt, wird schief angesehen. Und der Bäcker nimmt eh nur Bares. Immerhin kann man jetzt auch in einigen Läden mit dem Handy bezahlen.

Die Frau hat eine Mission. Noch steht sie in der kurzen Schlange an einer Kasse der Thalia-Buchhandlung, mit einem Kugelschreiber in der Hand. Sie lächelt. Dann ist sie an der Reihe. Die Verkäuferin scannt den Stift ein. „1,95 Euro, bitte“, sagt sie freundlich. Die Frau lächelt wieder, greift in ihre Tasche und sagt: „Ich zahle mit Handy.“ Die Verkäuferin stockt, blickt zur Kollegin, aber die ist beschäftigt. Die Frau sieht sie verständnisvoll an und erklärt: „Das funktioniert wie Zahlen mit der EC-Karte.“ Die Verkäuferin drückt leicht ungläubig eine Taste an der Kasse, während die Frau das Kartenlesegerät zu sich heranzieht und ihr Handy vor das Display hält. Es piepst am Gerät, das Handy zischt – und nach zwei Sekunden ist der Stift tatsächlich bezahlt.

Die Frau ist eine Sprecherin des Mobilfunkkonzerns Vodafone – und sie will das neue Produkt SmartPass vorstellen, eine Art digitale Geldbörse, die schon an mehr als 40 000 Bezahlstellen in Deutschland akzeptiert wird, darunter auch einige Dutzend in Ingolstadt. Neben Thalia sind unter anderem das Warenhaus Galeria Kaufhof, der Optiker Fielmann und der Süßwarenladen Hussel dabei, ebenso wie die meisten Tankstellenketten. Das Prinzip: Der Nutzer, egal ob er Kunde bei Vodafone ist oder nicht, registriert sich, bekommt – sofern er kein NFC-fähiges Handy besitzt – einen sogenannten NFC-Aufkleber, den er auf sein Smartphone klebt, lädt die App herunter und muss dann virtuell Geld aufladen. Entweder per Überweisung vom Girokonto oder einem anderen Handy, Lastschriftverfahren oder der Kreditkarte. Zur Sicherheit muss jeder Kauf über 25 Euro per PIN bestätigt werden.

NFC bedeutet Near Field Communication, Daten werden dabei per Funk nur innerhalb eines Feldes von wenigen Zentimetern übertragen. NFC wird weltweit schon länger eingesetzt, flächendeckend durchgesetzt hat es sich noch nicht. Datenschützer monieren, dass es mit entsprechender Technik möglich sei, an die Daten zu gelangen und Missbrauch zu betreiben.

Die Anbieter – beispielsweise hat T-Mobile mit MyWallet einen ähnlichen Dienst gestartet – betonen dagegen verständlicherweise die Vorteile: Die virtuelle Geldbörse im Handy könnte die reale mit Geldscheinen, Fahrkarten, Treuekarten und Gutscheinen ersetzen. „Die Leute haben inzwischen das Handy öfter dabei als die EC-Karte“, sagt die Vodafone-Sprecherin. Auch Centbeträge ließen sich so schnell überweisen, zudem habe der Kunde jederzeit eine genaue Übersicht, für was er Geld ausgegeben hat. Dass damit aber noch mehr sensible Daten an einer Stelle gespeichert sind, bestreitet sie nicht. „Aber das muss jeder für sich selber entscheiden.“

Auch für kleinere Läden oder Restaurants sei die Bezahlmethode, die auf der diesjährigen Cebit vorgestellt wurde, eine Alternative, sagt die Vodafone-Sprecherin. Denn die Gebühren, die die Händler an die Banken zahlen müssen, seien niedriger als bei Kreditkarten.

Bei Reflections kann man noch nicht mit dem Handy zahlen. „Da sind wir technisch noch nicht dazu in der Lage“, sagt Inhaberin Senta Reith. Dafür akzeptiert das Bekleidungsgeschäft auch Kreditkarten. „Gestern hatte ich Kunden aus Venezuela, Österreich und Mexiko, die haben mit Kreditkarte gezahlt.“ Im Ausland sei das schließlich längst üblich. „Ich war auf einer Messe in Kopenhagen. Da hat keiner mehr Bargeld gehabt“, sagt Senta Reith. Die meisten ihrer Kunden – sie spricht von 98 Prozent – bezahlten mit EC-Karte. „Wir sind ja nicht im Factory-Outlet-Center.“

Dort, im Ingolstadt Village, gibt es generell ein internationaleres Publikum, weswegen alle Geschäfte die gängigen Kreditkarten akzeptieren – bis auf die Restaurants. „60 Prozent aller Stores bieten auch die Zahlung mit der China-Union-Pay-Kreditkarte an“, erklärt Pressesprecherin Gabriele Strassburger. Weitere Systeme zum bargeldlosen Bezahlen schaue man sich an.

Im Westpark hat man keinen Überblick über die einzelnen Geschäfte. „Die Geschäfte im Westpark können selbst entscheiden, welche Zahlungsmöglichkeiten sie anbieten“, heißt es aus der Presseabteilung.

Auch bei IN-City, dem Gewerbeverein der Innenstadt, gibt es keine Vorgaben – den Einfluss habe der Verein gar nicht, sagt Vorsitzender Thomas Deiser. Außerdem seien die Branchen wie die Größe der Geschäfte zu unterschiedlich. In seinem Laden, einem Orthopädiegeschäft, kämen auch keine Kunden, die mit Kreditkarte zahlen wollten.

Natürlich könnte IN-City als Service im Branchenverzeichnis auf der eigenen Homepage auch die Bezahlmöglichkeiten auflisten. „Das wäre aber ein großer Aufwand bei 300 Geschäften“, erklärt Deiser. Er habe noch keine Beschwerden über fehlende Bezahlflexibilität gehört. „Ich sehe da momentan keinen Handlungsbedarf.“

In den USA werde jeder Burger mit Kreditkarte bezahlt, sagt Jürgen Amann, Prokurist der Ingolstadt Tourismus GmbH. Deutschland hinke in der Hinsicht deutlich hinterher. „Da ist Ingolstadt keine Ausnahme“, sagt Amann. Aber die Akzeptanz steige allmählich. In Hotels würden geschäftlich längst vor allem Kreditkarten eingesetzt. Man müsse auch sehen, dass es in den USA nichts Vergleichbares zur EC-Karte gebe, sagt Amann. Und im deutschen Einzelhandel lohne sich wegen der geringen Margen die Kreditkarte bei bis zu fünf Prozent Gebühren pro Einkauf nicht. Auch bei der Tourist-Info könne man bargeldlos nur mit EC-Karte zahlen. „Aber mir ist noch kein Fall zu Ohren gekommen, bei dem der Bezahlvorgang gescheitert wäre.“ Ein Handybezahlsystem halte er daher im eigenen Haus für nicht notwendig: „Das sehe ich eher bei Kleinstbeträgen wie im Öffentlichen Personennahverkehr.“