Ingolstadt
"Das Deutsche ganz natürlich lernen"

Mehrsprachigkeit in Kindertagesstätten: Erzieherinnen sammelten bei Projekt wertvolle Erfahrungen

09.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt/Eichstätt (DK) Fünf Einrichtungen der Katholischen Kita Ingolstadt gGmbH beteiligten sich an dem Forschungsprojekt "Miki - Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen". Die Erfahrungen sind sehr positiv und ermutigend.

"Mehrsprachigkeit in den Gruppen ist ein Phänomen, das uns in unserem Kindergarten schon lange beschäftigt", sagt Marianne Grafendorfer vom Kindergarten St. Pius in der Herschelstraße. In dem Viertel leben Menschen mit Wurzeln in mehr als 30 Nationen. Das spiegelt sich auch im Alltag der Kindertagesstätte wider: Russisch, Spanisch, Türkisch, Italienisch, Chinesisch - in den Gruppen herrscht große Sprachenvielfalt. "Die vielen unterschiedlichen Muttersprachen sind für unsere Erzieherinnen und Erzieher eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance", sagt Markus Schweizer, der Geschäftsführer der Katholischen Kita gGmbH. "Zweisprachigkeit ist ein hoher Wert. Auch wenn es schwierig ist, müssen wir Wege finden, diesen Wert im Kindergartenalltag stärker zu verankern."

Aus diesem Grund beteiligten sich fünf Kindertageseinrichtungen der Kita gGmbH an dem Forschungsprojekt "Miki - Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen", das Professor Jens Kratzmann von der Katholischen Universität Eichstätt gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg in verschiedenen Kindertageseinrichtungen in Bayern und Baden-Württemberg realisiert hat. Jeweils rund fünf bis zehn russisch- oder türkischstämmige Familien aus den Ingolstädter Kindergärten St. Pius, St. Josef, St. Monika, St. Anna und Stanggassinger beteiligten sich an dem interdisziplinären Projekt, das vom Bundesbildungsministerium über einen Untersuchungszeitraum von drei Jahren finanziert worden ist.

Gerade diese lange Dauer empfand Kindergartenleiterin Grafendorfer als positiv: "So konnten wir beobachten, wie sich ein mehrsprachiges Kind in den drei Jahren seiner Kindergartenzeit sprachlich entwickelt hat." Das Projekt sei im Kindergartenalltag sehr präsent gewesen, denn es benötige große Offenheit von allen Seiten: Von den Erzieherinnen ebenso wie von den Eltern, die ihr Kind für das Projekt angemeldet hatten. Immer wieder kamen Projektmitarbeiter, die die Sprachsituation im Kindergartenalltag oder die Kinder in Einzelstudien beobachteten.

Auch die Eltern mussten Fragebögen ausfüllen, auf denen sie über ihr Familienleben erzählten. Für das Kita-Team sei es nicht immer leicht gewesen, "so unter Beobachtung zu stehen", bestätigt Stefanie Binder, die Leiterin des Kindergartens St. Monika. Doch rückblickend erkenne man gut, wie viel es gebracht habe. Gerade die Fortbildungen im Rahmen des Miki-Projekts hätten "eine Menge zur Reflexion des eigenen Verhaltens beigetragen". Die Experten von der Uni gaben Tipps, wie man mit den Kindern sprechen sollte, welche Bücher für das Sprachenlernen im Vorschulalter geeignet sind, und wie die Räume mehrsprachig gestaltet werden könnten. In den Fortbildungen wurden den Kita-Teams auch die Aspekte der Sprachentwicklung vermittelt. Das sei wichtig gewesen. "Vieles ist uns durch das Miki-Projekt bewusster geworden!"

Denn: Im Kindergarten erleben die Erziehrinnen und Erzieher die Mehrsprachigkeit von Kindern oft als Problem. Häufig kommunizieren Eltern mit ihren Babys und Kleinkindern ausschließlich in ihrer Muttersprache, obwohl sie selbst das Deutsche beherrschen. "So werden zahlreiche Kinder bis zu ihrem dritten Lebensjahr einsprachig erzogen", erklärt Grafendorfer. Die Kleinen kämen erst im Kindergarten, manchmal erst mit fünf Jahren, mit der deutschen Sprache in Kontakt und hätten dann erhebliche Schwierigkeiten. "Für diese Kinder ist es wie ein Kulturschock, plötzlich unter Menschen zu sein, deren Sprache sie nicht verstehen, und von denen sie nicht verstanden werden." Eine sehr schwierige Eingewöhnungszeit. "Tröstungen kommen dann nicht an. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder von fremdsprachigen Eltern so früh wie möglich in eine Kindertageseinrichtung gehen! Dann lernen sie das Deutsche ganz natürlich in der Kita." Denn die Sprache - da sind sich die Erzieherinnen einig - "ist die Basis von allem".