Ingolstadt
Migrationsrat fordert Verbesserungen

Hilfe für die vielen Schwangeren und Mütter in Asyl-Unterkünften - Klage über strukturelle Probleme

13.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:04 Uhr
Die Anzahl der Asylbewerber in Ingolstadt nach Unterbringung. −Foto: DK-Grafik

Ingolstadt (DK) Die Situation in den Asyl-Unterkünften war gestern ein weiteres Mal Thema im Migrationsrat. Verbesserungen - vor allem für Frauen - sind geplant. Allerdings macht sich unter den Ratsmitgliedern zunehmend Frust breit. Kritisiert werden organisatorische Probleme und mangelnde Transparenz.

Bettina Nehir, Sachgebietsleiterin Asyl der Stadt Ingolstadt, stellte zunächst die aktuellen Zahlen (siehe Grafik oben) der dezentral und in Gemeinschaftsunterkünften wohnenden Menschen vor. Die seien zuletzt "einigermaßen stabil" geblieben. Ein Thema, das alle Beteiligten derzeit besonders beschäftige, sei die Situation von schwangeren Frauen und Müttern mit Säuglingen. "Davon gibt es zurzeit sehr viele", sagte sie. Vor allem, nachdem seit Mai besonders viele Menschen aus Nigeria in den Unterkünften ankämen. Geplant sei deswegen, möglichst bald, abschließbare Gebäude allein für Frauen einzurichten. Kinderwagen sollen als Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden und Hebammen regelmäßig Beratungen anbieten. Auch ein Stillzimmer soll es geben.

Gabriele Störkle vom Caritas-Zentrum Pfaffenhofen ergänzte, dass derzeit 35 schwangere Frauen in den Lagern bekannt seien. Allein in den vergangenen beiden Monaten seien 55 Babys von Müttern aus Asylunterkünften auf die Welt gekommen. Entsprechend hoch ist der Beratungsbedarf. Die sechs Helferinnen der Caritas, die auf vier Vollzeitstellen Rat und Hilfe in allen möglichen Belangen anbieten, seien "am Rande ihrer Möglichkeiten". Derzeit werde geprüft, ob auch eine frauenärztliche Betreuung eingerichtet werden könne. Das scheitere bisher an der Finanzierung, so Störkle.

"Thema Nummer eins sind nach wie vordie Lebensmittel."

Cristina Seeger, Migrationsrätin

 

Aus Flüchtlings- und Asyllagern werden immer wieder Berichte über Prostitution bekannt. Karoline Schwärzli-Bühler wollte deswegen wissen, ob Störkle auch in Ingolstadt oder Oberstimm von solchen Fällen wisse. "Konkrete Hinweise haben wir nicht", erklärte sie. "Aber es wäre absurd zu glauben, dass es das bei uns nicht gibt."

Geflüchtete Frauen berichten demnach häufig von Erlebnissen mit Zwangsprostitution und Menschenhandel in ihrer Heimat und auf der Flucht. In den Beratungen sei es deswegen besonders wichtig, sie auch über ihr Recht auf Selbstbestimmung hinzuweisen. "Tränenausbrüche der Dankbarkeit zeigen uns, wie wichtig dieses Thema ist." Problematisch sei auch aus diesem Grund die gemeinsame Unterbringung vieler Menschen - auch, wenn sie aus demselben Land stammen. Vermeintliche Opfer und Täter lebten so auf engem Raum zusammen. Dass es jetzt eigene Gebäude für Frauen geben wird, sei deswegen "eine ganz wichtige Verbesserung".

Drei Mitglieder des Migrationsrates, Cristina Seeger, Atila Dikilitas und Prof. Markus Bregulla hatten vor einiger Zeit die Gelegenheit, die Unterkünfte in der ehemaligen Oberstimmer Kaserne zu besuchen. "Thema Nummer eins sind die Lebensmittel", berichtete Seeger. Den Bewohnern ist es verboten, selbst zu kochen. Da viele aber mit dem angebotenen Essen nicht zufrieden sind, werden Herdplatten und Wasserkocher eingeschmuggelt. "Die werden dann konfisziert, was zu verbalen Streitigkeiten führt." Immer wieder gab es dabei auch körperliche Übergriffe auf das Sicherheitspersonal. Dikilitas plant jetzt einen gemeinsamen Kochabend. Asylbewerber werden eingeladen, in einer Gemeinschaftsküche zu kochen und zu essen.

Der Vorschlag wurde allgemein begrüßt, wobei aber auch klarwurde, dass solche Aktionen das prinzipielle Problem nicht lösen. Monika Müller-Braun brachte in dem Zusammenhang einen Artikel des DONAUKURIER ins Gespräch, in dem ein ehemaliger Sicherheitsmann herbe Kritik an der Organisation der Unterkünfte übte. Er berichtete unter anderem, dass mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten in den Gemeinschaftsunterkünften, fehlende Privatsphäre und schlechte Versorgung zu einem latenten Gewaltpotenzial führen, das immer wieder ausbreche. "Wenn das stimmt", so Müller-Braun, "dann haben wir ein strukturelles Problem. Und dann ist alles, was wir hier machen, zu wenig." Eine grundsätzliche Verbesserung der Situation könne nur von der Regierung von Oberbayern, die die Unterkünfte betreibt, herbeigeführt werden. Dem stimmte auch Störkle zu, die darauf verwies, dass die Caritas zuletzt am Montag eine Abkehr der Politik zentraler Asyl-Unterkünfte gefordert hatte.

Veronika Peters forderte in dem Zusammenhang freien, unangekündigten Zugang der Migrationsratsmitglieder zu den vier Dependancen des Transitzentrums. Auch die Presse müsse bessere Informationen erhalten. "Mehr Transparenz würde schon eine Menge lösen."