Ingolstadt
Etwas unterschiedliche Dienstauffassungen

Geldstrafe wegen versuchter Strafvereitelung

25.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) Auf der einen Seite: Ein (inzwischen pensionierter) diensteifriger Polizeichef, der protokollierte Vorfälle im Bereich seiner Dienststelle stets akribisch durcharbeitet und auf Unstimmigkeiten abklopft. Auf der anderen Seite: Ein Streifenpolizist, der bei einem Einsatz auf der Autobahn bei Stammham offenbar die Tragweite eines Ereignisses nicht vollends abgeschätzt hat und einen Verkehrsgefährder unbehelligt weiterfahren lässt.

Der Dienststellenleiter hängte dem Untergebenen deshalb ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung an. Das hatte inzwischen zwei Verhandlungen vor Amts- und Landgericht zur Folge. Am Ende des Berufungsverfahrens stand für den 44-jährigen Polizeihauptmeister gestern eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu 50 Euro - weniger als zuvor beim Amtsgericht. Der Beamte gilt damit als nicht vorbestraft, muss aber die Kosten der beiden Verfahren tragen.

Rein subjektiv hatte der Polizist seinerzeit wohl angesichts der ihm zunächst zur Verfügung stehenden Informationen ganz pragmatisch gehandelt, zumal bei dem Vorfall niemand zu Schaden gekommen war. Juristisch allerdings war dem Mann, der inzwischen nicht mehr bei der Ingolstädter Verkehrspolizei, sondern bei einer anderen Polizeidienststelle in der Region beschäftigt ist, der Vorwurf der versuchten, unter Umständen sogar der vollendeten Strafvereitelung nicht zu ersparen gewesen.

Das machte ihm gestern auch Richter Konrad Riedel als Vorsitzender der Berufungskammer klar: Als erfahrener Polizeibeamter habe er im vorliegenden Fall die Möglichkeit einer potenziellen Verkehrsgefährdung erkennen und entsprechend umsichtig handeln müssen. Deshalb, so Riedel, sei hier kaum der vom Angeklagten erhoffte Freispruch drin.

Der konkrete Vorfall selbst war für einige Autofahrer auf der A 9 durchaus aufregend gewesen, allerdings ohne Folgen geblieben: Der Fahrer eines polnischen Kleintransporters war am 10. Mai vor zwei Jahren in Fahrtrichtung München in Schlangenlinien unterwegs gewesen, hatte dabei deutlich an Tempo verloren und mit seinem Fahrzeug teils in Schrittgeschwindigkeit als Verkehrshindernis auf der linken Spur nachfolgende Autofahrer ausgebremst. Bei der Verkehrspolizei in Ingolstadt gingen mehrere Handymeldungen besorgter Verkehrsteilnehmer ein; die Einsatzzentrale schickte eine Streifenbesatzung als "Abfangjäger" auf die Autobahn.

Die Streifenbeamten, die offenbar nur von einem einzigen Hinweis ausgegangen waren und nichts von den vielfältigen Meldungen über Beinahekollisionen gewusst haben wollen, trafen den polnischen Fahrer bei Stammham teilnahmslos in seinem inzwischen zum Stehen gekommenen Transporter an, halfen ihm aus dem Auto und ließen einen Rettungswagen kommen, dessen Besatzung bei dem Mann eine schwere Unterzuckerung feststellte. Als Diabetiker hatte er offenbar Insulin gespritzt, ohne ausreichend zu essen - durchaus fahrlässig und gefährlich.

Nachdem die Sanitäter den Mann mit einer Zuckerinjektion wiederhergestellt hatten, ließ ihn der Streifenführer weiterfahren, weil ihm die Rettungskräfte erklärt hatten, dass ein solcher Kontrollverlust bei einem Diabetiker leicht vorkommen könne. Damit hatte sich der Polizist zufriedengegeben.

Dass er anschließend von seinem Dienststellenleiter derart "hingehängt" wurde, erklärt sich der Streifenbeamte mit einem seinerzeit schon länger schwelenden Disput mit dem Vorgesetzten. Der habe ihn (im Gegensatz zu früheren Chefs) häufig schlecht beurteilt und über die Maßen kontrolliert, gab der Beamte gestern vor Gericht an. Dieses Verhalten habe ihn stark belastet und nach der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens auch in eine Depression mit monatelanger Dienstunfähigkeit getrieben. Noch heute müsse er regelmäßig ein Psychopharmakum nehmen.

Die Berufungskammer nahm das zwar zur Kenntnis, bezog diese Schilderung aber nicht in ihre juristische Beurteilung des Falles ein. Da sich eine versuchte Strafvereitelung nicht wegdiskutieren ließ, regte Vorsitzender Riedel eine nach der Strafprozessordnung mögliche Verständigung über das Strafmaß an. Selbst der Staatsanwalt stellte fest, dass die vereitelte Strafverfolgung sich auf eine Tat mit eher geringem Gewicht ausgewirkt hatte. Der polnische Transporterfahrer war später wegen fahrlässiger Verkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt worden. Ohne den Eifer des Polizeichefs hätte wohl kein Hahn mehr nach dieser Sache gekräht.