Ingolstadt
Zu große Nähe in der Patchworkfamilie?

Verfahren um angeblichen sexuellen Missbrauch: Familienvater wehrt sich gegen die Vorwürfe seiner Töchter

26.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Vorwürfe der beiden Töchter wiegen schwer: Über Jahre hinweg soll ihr Vater ihnen daheim zu nahe gekommen sein, bei den seinerzeit noch kindlichen bis jugendlichen Mädchen immer wieder Zärtlichkeiten und Berührungen gesucht haben, die weit über familiäre Vertrautheit hinausgingen.

Jetzt sitzt der 44-jährige Ingolstädter im Landgericht wegen sexuellen Missbrauchs auf der Anklagebank (DK berichtete bereits im September). Er bestreitet die Vorwürfe. Und die (nichtöffentliche) Vernehmung der inzwischen 20 und 21 Jahre alten Töchter braucht ihre Zeit.

Gestern hat die 5. Strafkammer nochmals die jüngere der beiden Frauen unter Ausschluss der Öffentlichkeit lang und breit zu den angeblichen Vorfällen befragt. Dabei wurde auch ein Chatverlauf zwischen Vater und Tochter angeschaut. Zuvor hatte der beschuldigte Mann allerdings ausführlich Gelegenheit gehabt, sich zu erklären. Er zeichnete vor Gericht das Bild einer Patchworkfamilie, die anfangs angeblich recht harmonisch funktioniert hat, letztlich aber unter wachsenden Problemen zerbrach.

Der auf dem Balkan geborene Familienvater hatte seine aus einer unehelichen Verbindung stammenden Töchter erst 2007 bei sich in Ingolstadt aufgenommen, wo er inzwischen verheiratet war und deshalb auch eine Stieftochter hatte. Zuvor hatten die leiblichen Töchter bei ihrer türkischen Mutter in deren Heimat gelebt, doch die Frau war gestorben.

Als die damals 13 und 11 Jahre alten Kinder zum Vater kamen, sprachen sie kein Deutsch, er kein Türkisch. Man habe anfangs quasi mit Händen und Füßen kommunizieren müssen, sich aber immer mehr zusammengerauft und auch die Startschwierigkeiten der Töchter in der Schule überwinden können, so der Angeklagte.

Er habe bei knappen Finanzen praktisch sein ganzes Leben auf das schulische Fortkommen der Kinder ausgerichtet, wobei letztlich seine Frau wohl zu kurz gekommen sei. Die Ehe wurde jedenfalls inzwischen geschieden. Bei der Erziehung sei er sicher da und dort streng gewesen, er habe sich auch schon mal zu Watschn hinreißen lassen, gab der 44-Jährige zu. Vorfälle, bei denen er die Mädchen - wie in der Anklage behauptet - gewürgt haben soll, streitet der Mann aber ab. Auch sämtliche Anschuldigungen, die die angeblichen sexuellen Übergriffe betreffen, weist er von sich. Er kann sich die Eskalation angeblich allenfalls mit Rachemotiven der Kinder erklären, weil ihm womöglich immer noch das Scheitern der Beziehung zu ihrer Mutter vorgeworfen werde.

Wie sich aus dem Dialog mit dem Gericht ergab, hatten die jungen Frauen bei ihren Vernehmungen vor der Kammer einige recht deutliche Angaben gemacht, die die familiären Verhältnisse in einem anderen Licht erscheinen lassen: Der Vater soll den Mädchen zwischen 2008 und 2011 nicht nur immer wieder in ihren Kinderzimmern zu nahe gekommen sein, sondern ihnen gelegentlich auch Zugang zu Pornofilmen ermöglicht haben.

Andererseits soll er sie, was ihren Computergebrauch angeht, aber ungewöhnlich streng kontrolliert haben. Der Mann gab denn gestern auch zu, auf Rechnern Kontrollprogramme installiert zu haben, mit denen er die Internetaktivitäten der Töchter nachvollziehen konnte. Er habe die Programme jedoch gelöscht, als eine der Töchter volljährig wurde. Die jungen Frauen waren dann - wohl mit Beginn ihres jeweiligen Studiums - von daheim ausgezogen. Später gingen sie gemeinsam zur Polizei.

Das Gericht hörte gestern auch noch den Hausarzt der Familie und einige Verwandte an. Andere Zeugen mussten abgeladen werden, da durch die unerwartet langen Vernehmungen der Zeitplan des Gerichts aus den Fugen geraten ist. Die Kammer, die ohnehin noch vier weitere Termine bis Anfang Dezember für das Verfahren angesetzt hat, muss womöglich noch einen weiteren Prozesstag einfügen. Planmäßig sollte es bislang jedenfalls erst Mitte November weitergehen.