Ingolstadt
Droht die Kürzung der Pension?

Landesanwaltschaft leitet Disziplinarverfahren gegen Alt-OB Lehmann ein

22.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:36 Uhr
Alfred Lehmann −Foto: DK

Ingolstadt (DK) Am Dienstagabend verkündet Oberbürgermeister Christian Lösel zu vorgerückter Stunde im Stadtrat seinen Rückzug aus der gemeinsamen Firma mit Alt-OB Alfred Lehmann. Gestern gibt die Landesanwaltschaft bekannt, ein Disziplinarverfahren gegen den Alt-OB eingeleitet zu haben. Lehmann droht damit die Kürzung seiner Pension.

Es ist gegen 21.45 Uhr, als Christian Lösel am Dienstag nach siebeneinhalbstündiger öffentlicher Stadtratssitzung in einer "persönlichen Erklärung" bekannt gibt, dass er seine Beteiligung an der Firma Arbor, einer gemeinsamen Firma der Eheleute Lösel und Lehmann, aufgegeben habe. Lösel betont in seiner Erklärung, dass sein Rückzug bei Arbor bereits "vor Wochen" erfolgt sei. "Obwohl meine Vermögensanlage rechtlich vollkommen einwandfrei war und - wie soeben ausführlich dargestellt - auch keine Interessenkollisionen vorliegen können." Lösel spielt damit auf die zuvor behandelten Fragenkataloge der Oppositionsparteien an (siehe Artikel unten). Er betont, er habe mit diesem Schritt "die politisch motivierte, objektiv haltlose und für mich und meine Familie seit Wochen sehr belastende Diskussion endgültig beenden" wollen. "Ich bitte nochmals, meine Privatsphäre als solche anzuerkennen und zu respektieren." Nicht nur Lösel selbst, sondern auch seine Frau ist nicht mehr an der Gesellschaft beteiligt, hieß es gestern auf Nachfrage des DK.

Am Dienstagabend im Sitzungssaal des Rathauses ahnt noch keiner der Stadträte, dass nur wenige Stunden später die Disziplinarbehörde der Landesanwaltschaft Bayern melden wird, ein Disziplinarverfahren gegen den früheren Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt, Alfred Lehmann, eingeleitet zu haben. Lehmann ist, wie mehrfach berichtet, in den Strudel der Affäre Klinikum geraten. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt ermittelt gegen ihn wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Verkauf des Alten Krankenhauses und dem Erwerb einer Wohnung durch Lehmann in der auf dem Areal neu errichteten Wohnanlage. Lehmann hatte bei dem Bauträger aus dem Landkreis Pfaffenhofen, der das ehemalige Krankenhausgelände erworben hatte, für sich und seine Frau eine Wohnung gekauft. Neue Erkenntnisse zum Stand der Ermittlungen gibt es laut Oberstaatsanwalt Wolfram Herrle nicht. "Ob sich der Verdacht bestätigt, müssen die Ermittlungen zeigen." Die Landesanwaltschaft habe aufgrund der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom Dezember vergangenen Jahres den Durchsuchungsbeschluss angefordert, der damals, wie berichtet, auch zu einer Razzia in den Privat- und Geschäftsräumen Lehmanns geführt hatte.

"Der sich im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den ehemaligen kommunalen Wahlbeamten ergebende Anfangsverdacht der Bestechlichkeit begründet zugleich den hinreichenden Verdacht auf das Vorliegen eines Dienstvergehens", heißt es in einer Pressemitteilung der Landesanwaltschaft von gestern. Die Regierung von Oberbayern habe ihre Disziplinarbefugnisse auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen und um Prüfung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gebeten. Die Landesanwaltschaft habe im Rahmen von Vorermittlungen auszugsweise Einsicht in die Strafermittlungsakten genommen.

Das Disziplinarverfahren werde bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Dies erfolge, um parallele Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Disziplinarbehörde zu vermeiden. "Sollte im Strafverfahren öffentliche Klage gegen den Beamten erhoben werden, wäre das Disziplinarverfahren von Gesetzes wegen zwingend auszusetzen." Das Bayerische Disziplinargesetz gelte auch für kommunale Wahlbeamte wie den früheren Ingolstädter OB, schreibt die Behörde. Es sehe als mögliche Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte die Kürzung des monatlichen Ruhegehalts um höchstens ein Fünftel auf längstens fünf Jahre oder die Aberkennung des Ruhegehalts vor.

Neben der Staatsanwaltschaft Ingolstadt ermittelt auch die Generalstaatsanwaltschaft München gegen den Alt-OB. Es geht hierbei um die Doppelfunktion Lehmanns als Aufsichtsrat des Klinikums und Senior Advisor für den Headhunter Labbé, der unter anderem den neuen Ärztlichen Direktor des Klinikums empfohlen hatte. Die Generalstaatsanwaltschaft München prüft eine mögliche Straftat nach . 108 e StGB (Bestechung oder Bestechlichkeit von Mandatsträgern), sie besitzt dafür eine Sonderzuständigkeit. Auch hier liegt zum Stand der Ermittlungen noch kein Ergebnis vor, hieß es gestern auf Anfrage aus der Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft.
 

Kommentar von Thorsten Stark


Die Entscheidung von Christian Lösel, sich aus der gemeinsam mit seiner Frau sowie den Eheleuten Lehmann betriebenen Firma Arbor zurückzuziehen, ist eine gute Entscheidung. Und angesichts des gestern bekannt gewordenen weiteren Verfahrens gegen Alt-OB Alfred Lehmann kam die öffentliche Erklärung Lösels auch keinen Tag zu spät. Obwohl die Firma, wie man glauben darf, nur als private Altersvorsorge gedacht war und rechtlich nichts dagegen einzuwenden ist, war die Konstellation vor dem Hintergrund der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Lehmann und dessen Beratertätigkeit in der Immobilienbranche mehr als unglücklich. Lösel hätte mit dem heutigen Wissen die Firma wohl nicht mehr mitgegründet. Dann hätte sich der OB wohl auch die für ihn und seine Familie äußerst unangenehme Durchleuchtung seiner privatesten Belange erspart.