Ingolstadt
Spuren der Vergangenheit

Bei Arbeiten am Fleißerhaus in der Kupferstraße legten Restauratoren einen historischen Schriftzug frei

13.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg: Marieluise (rechts) als Kind vor ihrem Geburtshaus in der Kupferstraße. - Foto: Stadtarchiv Ingolstadt

Ingolstadt (DK) Überraschender Fund: Im Geburtshaus der berühmten Schriftstellerin Marieluise Fleißer entdeckten Restauratoren am Mittwoch einen alten Schriftzug. Das Gebäude wird derzeit saniert und soll bis 2018 auf drei Etagen ausgebaut werden.

Rote Backsteine, zerbrochene Fensterscheiben, abgeplatzter Putz und Löcher in der Wand - bei den Restaurierungsarbeiten, die noch bis ins nächste Jahr andauern sollen, wird das geschichtsträchtige Haus in der Innenstadt von außen wie von innen grundlegend erneuert. Was jedoch weder die Arbeiter noch die Nachkommen der Fleißer-Familie wussten: Unter der verputzten Wand befindet sich ein alter Schriftzug. Der Restaurator schätzte, dass dieser ungefähr aus dem Jahr 1900 stammt. "Ich habe in diesem Haus meine gesamte Kindheit und Jugend verbracht. Dass da noch so etwas hinter der Fassade steckt, hat wirklich niemand geahnt", erzählt Fleißer-Neffe Hermann Widmann. Über die gesamte Länge des Gebäudes sind nun die großen weißen Buchstaben auf blauem Hintergrund, teilweise unvollständig, zu erkennen: Werkzeuge Waag A. Fleisser Eisen. Der Schriftzug stammt aus der Zeit, als Marieluises Großvater Andreas Fleisser eine Schmiede und einen Eisenwarenladen betrieb. Er kaufte das Haus im Jahr 1861. Im Stadtmodell ist es allerdings bereits 1573 als Bürgerhaus zu sehen.

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg stand an der Fassade "Werkzeugschmiederei A. Fleisser Eisenwarenhandlung, wie auf dem Schwarz-Weiß-Bild aus dem Stadtarchiv erkennbar ist. Die jetzt entdeckten Buchstaben deuten jedoch darauf hin, dass Änderungen vorgenommen wurden. Wann der Schriftzug überarbeitet wurde und was zuletzt an dem Haus stand, ist noch nicht bekannt.

"Wir freuen uns sehr über diesen tollen Fund. Wenn man den Schriftzug so lassen könnte, das wäre natürlich schön", sagt Kurt Finkenzeller, Vorsitzender der Marieluise-Fleißer-Gesellschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Schriftstellerin und ihre Werke in Öffentlichkeit und Forschung präsent zu halten. An der Restaurierung des Gebäudes ist auch der Denkmalschutz beteiligt, der bereits Pläne für den Umbau gemacht hat. Widmann hat als Teil der Familie Fleißer Mitspracherecht, auch bei der Gestaltung. "Das Farbkonzept für das Haus wurde bereits vor zwei Wochen beschlossen. Ich denke, dass der Schriftzug optisch nicht mehr in das neue Vorhaben passt. Es soll ein Literaturhaus entstehen, was natürlich auch äußerlich in die heutige Zeit passen muss. Die Fassade soll nach der Sanierung grau gestrichen werden, die Fenster bekommen einen weißen Rand", berichtet er über die Pläne.

Das Fleißerhaus soll Anfang 2018 wiedereröffnet werden. Im Erdgeschoss wird die Werkstatt möglichst authentisch und mit den alten Werkzeugen bestehen bleiben. "Vor den Sanierungsarbeiten roch es sogar noch nach der alten Schmiede. Ob man den Geruch auch weiterhin erhalten kann, weiß ich nicht. Allerdings soll der Originalzustand, so gut es geht, erhalten bleiben. Zum Beispiel werden dort der alte Amboss und die Schmiedeesse meiner Vorfahren stehen", so Widmann. Im ersten Stock wird das Museum einziehen, im zweiten Obergeschoss entsteht ein Veranstaltungsraum, in dem Lesungen stattfinden sollen.

Neben dem Fleißerhaus und der Gesellschaft gibt es auch den Marieluise-Fleißer-Preis, einen Literaturpreis, der seit 1981 von der Stadt vergeben wird. Doch nicht nur in Ingolstadt ist die Schriftstellerin allgegenwärtig. In München sind eine Straße und eine Realschule nach ihr benannt.