Ingolstadt
Schaffe, schaffe, Land aufbaue

Die jetzt vorgestellte Ausbildungsinitiative syrischer Flüchtlinge könnte auch in der Region Schule machen

01.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:21 Uhr

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen unterzeichnete in Ingolstadt einen Kooperationsvertrag mit Bundesarbeitsagenturchef Frank-Jürgen Weise. Syrische Flüchtlinge sollen bei der Bundeswehr unter anderem lernen, wie man schweißt oder Häuser wieder aufbaut. Bei dem Termin in der Pionierkaserne waren auch Reinhard Brandl (oben, links) und Albert Wittmann (oben rechts, in zivil). Zum Abschied überreichte Brigadegeneral Lutz E. Niemann der Ministerin eine Flasche Herrnbräu-Bier und einen Flaschenöffner aus der Werkstatt der Bundeswehr. - Fotos: Eberl

Ingolstadt (DK) Innerhalb weniger Wochen haben das Verteidigungsministerium und die Bundesagentur für Arbeit ein Ausbildungsprogramm für syrische Flüchtlinge aus der Taufe gehoben, das gestern von Prominenz aus Berlin in der Pionierkaserne vorgestellt wurde. Ein Modell, das auch in Ingolstadt und der Region Schule machen könnte - wenn es denn funktioniert.

Der junge Mann hat vorschriftsgemäß seine Schweißermaske aufgesetzt und nähert sich nun vorsichtig mit dem Schweißgerät dem Stahlrohr. "Mehr, mehr!", ruft sein Ausbilder. "Jetzt ein bisschen Sauerstoff zugeben, aufwärmen und dann schneiden." Der Ausbilder begutachtet das Ergebnis und urteilt: "Gut." Jetzt ist der Nächste an der Reihe.

Nur ein Absperrseil trennt die Gruppe, die bei Temperaturen von knapp 30 Grad das Schweißen an Stahlrohren und -platten übt, von dem etwa 40-köpfigen Pressetross, der sich an diesem Donnerstagvormittag im Ausbildungszentrum der Pioniere in Ingolstadt vom gelungenen Start der Ausbildungsinitiative aus dem Hause von der Leyen überzeugen soll. Dazu ist sogar die Verteidigungsministerin selbst gekommen, ebenso wie Frank-Jürgen Weise, der Leiter der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

Rund 120 syrische Flüchtlinge waren vorher angekündigt gewesen, am Ende sind es rund 50 - etwa die Hälfte davon in Bayern - die bei der Bundeswehr in den kommenden zwölf Wochen Grundkenntnisse in Bau, Handwerk, Sanitätswesen und Technik erwerben sollen und wollen - damit sie, als Fernziel, in ihrer Heimat Wiederaufbau leisten können, und, während sie in Deutschland sind, ein Zertifikat der Bundeswehr vorweisen können, als Grundlage für eine mögliche Ausbildung im Land.

"Das ist für Arbeitgeber hochinteressant", sagt von der Leyen, nachdem sie sich an den verschiedenen Stationen mit Flüchtlingen unterhalten hat. Die ausgewählten Asylbewerber hätten schon eine Sicherheitsüberprüfung hinter sich gebracht, seien obendrein sehr leistungsbereit, schon integriert und beherrschten zumindest ein wenig die deutsche Sprache.

Trotzdem stehen ihnen in Ingolstadt und bundesweit fünf weiteren Standorten auch Übersetzer zur Seite, und zwar während der gesamten Kurzausbildung. "Wir übersetzen das, was die Ausbilder erklären", sagt ein Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte. Dazu habe die Bundeswehr eine Syrien-Expertin zum Vortrag eingeladen, erzählt der Mann. "Sie hat erklärt, wie man mit den Menschen aus Syrien umgehen kann."

Kulturell habe es bisher keine Probleme gegeben, versichert Ausbilder Mike Lawson. "Es ist immer dasselbe Schema: Ich schaue, wie ist der Stand der Gruppe, und versuche dann, alle auf denselben Stand zu bringen." Die Teilnehmer seien hoch motiviert, nur die Sprachbarriere sei nicht immer einfach, deswegen sei er auch um die Übersetzer froh - die natürlich wiederum Zeit kosteten. "Aber es geht ja nicht darum, dass ein Werkstück um zwölf Uhr fertig sein muss", sagt Lawson. "Es geht um die Vermittlung, dass sie ein Händchen dafür bekommen, was sie können."

Je nach Erfolg des Pilotprojekts habe er dann Argumente für eine Ausweitung des Projekts, sagt Frank-Jürgen Weise. "Dann muss die Wirtschaft entscheiden."

"Bei der Ausbildung syrischer Flüchtlinge denkt man ja erst mal nicht an die Bundeswehr", sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl, der im Verteidigungsausschuss sitzt, und ebenso wie Ingolstadts Finanzbürgermeister Albert Wittmann zu dem Termin gekommen ist. Aber die Bundeswehr sei einer der größten Ausbilder Deutschlands - und mit einer solchen Initiative auch Vorbild für andere Betriebe. "Was daraus wird, wird man sehen", sagt Brandl. "Es ist aber gut, dass damit angefangen wird."

Trotz des enormen Aufwands müsse man solche Projekte begrüßen, erklärt Albert Wittmann. "Ob die Flüchtlinge ihre Kenntnisse tatsächlich im eigenen Land anwenden, da bin ich skeptisch." Doch gut ausgebildete Arbeitskräfte könne man auch in Deutschland sehr gut gebrauchen. "Ich habe zu Herrn Weise gesagt: Das kann ich mir auch für unsere Region vorstellen", sagt Wittmann. Da die Bundesagentur für Ingolstadt verwaltungstechnisch nicht zuständig sei, habe Weise erklärt, er werde den Kontakt zu den richtigen Gesprächspartnern herstellen. Und die Stadt wird mit ihrer Agentur für Arbeit reden. Witmann: "Wir haben über 190 minderjährige Flüchtlinge. Da wird's doch ein Dutzend geben, die eine Ausbildung machen können."