Ingolstadt
Nebulöses im Hotelzimmer

Amtsgericht spricht 32-Jährigen vom Vorwurf der Vergewaltigung frei

06.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:15 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) Großen Aufwand hat das Schöffengericht am Ingolstädter Amtsgericht am Montag betrieben, um Licht in eine verworrene Geschichte zu bringen und einen schweren Vorwurf zu erhellen: Hat ein 32-Jähriger in einem Hotelzimmer eine 28-jährige Freundin vergewaltigt, wie sie behauptet?

So klassisch der Fall nach dem bekannten Satz "Aussage gegen Aussage" klingt, so ungewöhnlich waren die Begleitumstände. Den Rahmen gab ein Tuningtreffen heuer am Ostersonntag am FC-Stadion vor, das die Beteiligten besuchten. Am Vorabend stimmten sie sich in Gesellschaft weiterer Tuningfreunde in einem Ingolstädter Hotel am Tresen ein. "Es ist ungewöhnlich, dass unsere Bar so lange aufhat", sagte die Angestellte, die damals die letzten Gäste gegen 3 Uhr früh auf ihre Zimmer verschwinden sah, kurz bevor die Putzfrau kam.

Lustig war es bis dahin. Zwei Flaschen Whiskey hatten ein 32-jähriger Verkäufer aus dem Raum Ingolstadt sowie seine Mitfeiernden (ein 41-Jähriger und eine 28-jährige Studentin) weitgehend geleert. Alle waren ziemlich betrunken, wie sie selbst und die Hotelangestellte gestern bestätigten. Während der 41-Jährige ein Einzelzimmer hatte, teilten sich der 32-Jährige und die 28-Jährige (wohl aus Kostengründen) ein Doppelbett, obwohl sie in keiner Weise liiert waren, wie sie versicherten. Tief in der Nacht kam es dann zu dem verhängnisvollen Vorfall, zu dem eben völlig gegensätzliche Angaben vorliegen. Obwohl sich die Frau zuvor heftig ins Zimmer hinein übergeben hatte, soll es sexuelle Handlungen bis hin zu tiefer gehenden Berührungen im Intimbereich gegeben haben. Das wollen beide nicht leugnen. Nur wer die Initiative ergriffen hat und welches Ziel verfolgte, das war der große Knackpunkt des Prozesses bei Richter Christian Veh.

Dass alles einvernehmlich geschah, wollten beide nicht bestätigen. War es also doch eine Vergewaltigung, da der (elffach vorbestrafte) 32-Jährige die Frau gegen ihren wie auch immer gezeigten Willen mit sexuellen Handlungen überzog? Diesen Vorwurf der Staatsanwaltschaft stritt er aber vehement ab. Oder ging die Initiative - wie der Angeklagte behauptete - doch von ihr aus?

Auf alle Fälle verließ die Frau noch in der Nacht schluchzend das Zimmer und begab sich mit vagen Andeutungen in die Arme des anderen Partygastes, dem aber erst am nächsten Morgen dämmerte, was im anderen Zimmer passiert sein könnte. Eine Aussprache zwischen den beiden Bettgenossen, auf die er drängte, eskalierte am Sportpark allerdings vor versammelter Mannschaft. Den Vorwurf des Übergriffs der Frau konterte der beschuldigte 32-Jährige mit der Behauptung, er habe ein Video, darauf würde man ja sehen, wer begonnen hatte. "Das war ein Bluff, damit sie Ruhe gibt", sagte er gestern. Da nahm alles aber erst an Fahrt auf, da das angebliche Opfer sich tags darauf einer Freundin anvertraute - und wohl von Unterleibsschmerzen berichtete und dem Verdacht, dass der Bettgenosse "etwas gemacht habe". Daraus wurde über die Polizei letztlich die Anklage wegen Vergewaltigung.

"Wir wissen nicht, was in dieser Nacht passiert ist", fasste Richter Veh aber die Erkenntnisse nach der Beweisaufnahme zusammen. "Wir haben den starken Verdacht, dass es die Beteiligten auch nicht wissen." Die Erinnerungen der beiden waren lückenhaft. "Angesichts des Alkoholkonsums nicht ganz überraschend." Es blieben viele Zweifel, musste Staatsanwalt Jürgen Staudt feststellen. "Damit ist nicht gesagt, ihre Schilderung ist falsch", sagte er über die Nebenklägerin. "Wir können sie aber einfach nicht mehr mit der nötigen Sicherheit nachweisen." Der Ankläger plädierte auf Freispruch, was auch Verteidiger Jörg Gragert ("Ich kann mich - selten genug - nur dem Staatsanwalt anschließen") natürlich ebenfalls forderte. Auch wenn Nebenklagevertreter Roland Aigner auf eine Verurteilung drängte, urteilte das Gericht: "Es kann nur eine Entscheidung geben: Freispruch."

Einen Rat hatte Richter Veh noch: Man hätte auf die zweite Flasche Whiskey verzichten und für den Preis zwei Einzelzimmer buchen sollen. "Da hätten Sie sich ziemlich viel erspart."