Ingolstadt
Letzte Runde im Gambrinus

Über 120 Jahre alte Gaststätte im Nordosten schließt am Dienstag – Wirtsleute suchen eine neue Bleibe

11.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:39 Uhr
Letzte Runde: Mit dem Gambrinus wird das letzte Traditionslokal im Ingolstädter Nordosten schließen. Der Vermieter hat den Vertrag gekündigt. Fürs Zeitungsfoto stößt das derzeitige Team, die Küchenhilfen Anna Maria Herrmann und Andrea Auer, die Wirtsleute Rainer Hofbauer und Gilian Corr sowie Servicekraft Elena Friesen (von links) an. Am kommenden Dienstag, 15. August, hat das Gambrinus den letzten Tag geöffnet. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Es ist die letzte Traditionsgaststätte im Ingolstädter Nordosten. Nach über 120 Jahren schließt nächste Woche der Gasthof Gambrinus an der Friedrich-Ebert-Straße. Das Gebäude soll verkauft werden. Die jetzigen Wirtsleute, Rainer Hofbauer und Gillian Corr, suchen eine neue Bleibe.

Für Tisch 5 bereitete Rainer Hofbauer gestern zum letzten Mal drei Gänge vor. „Ein Spezialmenü“, wie er sagt. Der Wirt weiß, der ältere Herr, der zweimal die Woche, darunter immer freitags, wenn’s Menü gibt, kommt und „immer an Tisch 5 sitzt“, isst gerne Süßes. Gestern bereitete er für ihn eine Suppe, Matjessalat, den der Mann besonders gerne mag, und ein Dessert vor. Für den Gast wird es das letzte Freitagsmenü sein, das er im Gambrinus zu sich nehmen wird. Nächsten Dienstag, am 15. August, hat die Traditionsgaststätte den letzten Tag geöffnet.

Bis dahin werden sich im Gambrinus die Stammgäste die Klinke in die Hand geben. Ihnen wollen die Wirtsleute für ihre Treue besonders danken, aber auch dem „Hotel Bavaria, das immer Leute zu uns geschickt hat“, wie Gillian Corr sagt, die Irin, die schon lange ihr Herz für Bayern entdeckt hat. Der Abschied fällt ihr und Hofbauer, ihrem Lebensgefährten, nicht leicht. „Ich habe hier Kinder groß werden sehen“, sagt Corr. Die Wirtsleute haben das Gambrinus 2005 übernommen. Zuvor hatte der Eigentümer der Gaststätte, Alfons Gallenberger, 17 Jahre lang den Gasthof mit angegliederter Pension geführt.

1896 hatte Otto Schulze, der ehemalige Pächter der Goldenen Sonne an der damaligen Laboratoriumsstraße, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und am anderen Ende der Straße ein neues Wohnhaus mit Gaststätte gebaut. Es ist benannt nach dem Bierkönig Gambrinus, dem Schutzheiligen der Brauer. 1899 übernahm Michael Betz die Wirtschaft, wie aus dem Buch von Hans Fegert „Alte Ingolstädter Brauereien und Wirtshäuser“ hervorgeht. Aus Altersgründen übergab dieser 1925 sein Gasthaus an den Metzgermeister Josef Paulus, dem 1954 der Metzgermeister Martin Preller als neuer Inhaber folgte. Später führte Alfons Gallenberger als neuer Eigentümer das Gambrinus, 2005 verpachtete er die Wirtschaft an Rainer Hofbauer. Die bayerische Küche blieb, auch, wenn Hofbauers Lebensgefährtin Gillian Corr Irin ist.

Dass das Gambrinus schließt, sei „sehr schmerzhaft“, sagt Stammgast Anton Schleicher. „Es ist das letzte Traditionslokal in dem Viertel.“ Schleicher hat die Wirtschaft „bestimmt seit 30 oder 40 Jahren“ regelmäßig besucht. Seit 15 Jahren, erzählt er, spielte er dort jeden Freitagabend Karten. Mit dabei ist ein noch viel treuerer Stammgast: der 82-jährige Erwin Karmann. „Es gibt keinen, der seit so langer Zeit kommt wie er“, sagt Corr. Karmann kannte das Gambrinus schon, als er ein kleiner Bub war. „Er hat für seinen Vater immer Bier in der Kanne geholt“, erzählt die Wirtin. Die Geschichte ist auch Elena Friesen gut bekannt. Der Stammgast hat sie oft genug erzählt. Friesen arbeitet seit gut sechs Jahren im Service. Sie hatte als Studentin angefangen und gehört mittlerweile fast schon zur Familie. Hauptberuflich ist sie Kostümbildassistentin am Theater.

Hofbauer und Corr, die zusammen mit ihrer Katze Motti in einem Nebengebäude des Gambrinus wohnen, haben Ende Juni erfahren, dass sie raus müssen. Ab September auch aus der Wohnung. Eine neue Bleibe haben sie noch nicht. Der Eigentümer habe sich aber bereit erklärt, dass sie eventuell in der Wohnung etwas länger bleiben dürfen. Wie lange, dürfte davon abhängen, wann und an wen der Eigentümer das Anwesen verkauft und was der neue Besitzer mit dem Objekt vorhat. Er habe sich als Käufer beworben, jedoch bislang weder eine Zu- noch eine Absage bekommen, sagte Bauträger Hermann Bacher gestern auf Anfrage unserer Zeitung. Auch JKH, die Immobilienfirma von Jürgen Kellerhals, wurde hinter vorgehaltener Hand als möglicher neuer Eigentümer gehandelt. Roland Hörner, der für Kellerhals die Immobilien verwaltet, hat dies dementiert. Eigentümer Alfons Gallenberger war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Was sich freilich nicht nur Stammgäste fragen: Was wird aus den drei prachtvollen Kastanien, die so alt sein dürften wie das Gambrinus selbst? Es steht zu befürchten, dass sie nach einem Verkauf und vermutlichen Abriss des Gebäudes zugunsten von Wohnungsbau der Säge zum Opfer fallen.